Die Potenziale von Künstlicher Intelligenz im Mittelstand
Sie scheint für viele immer noch ein großes kompliziertes System – zu theoretisch und umfassend, um sie ins eigene Unternehmen zu integrieren: Künstliche Intelligenz. Genau dieses Vorurteil wollte die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (RBW) anlässlich der Bensberger Runde im Schloss Bensberg entkräften. Mehr noch: Der Abend sollte zeigen, dass sich hinter dem Begriff KI viele verschiedene kleine Bausteine verbergen, die Problemaspekte auch in mittelständischen Unternehmen angehen und lösen.
Künstliche Intelligenz – Einblick in die Möglichkeiten und Anwendungen
Dr. Martin Stein
Mittelstand-Digital Zentrum Ländliche Regionen
Standortleiter Sankt Augustin
martin.stein@fit.fraunhofer.de
Einblick in die Möglichkeiten und Anwendungen
Die KI kann somit dem Menschen bei Dienstleistungen, Produktion und Handwerk wichtige Hilfestellung sein und Prozesse vereinfachen. Gemeinsam mit der VR Bank eG Bergisch Gladbach-Leverkusen, der Bensberger Bank eG, der Volksbank Berg eG und dem Althoff Grandhotel Schloss Bensberg hatte die RBW in den großen Ballsaal geladen, um genau darüber zu diskutieren: Wie genau können die Unternehmerinnen und Unternehmer KI im eigenen Betrieb nutzen und wie gelingt der Einstieg? Und das Interesse an dem Thema war groß: Die Veranstaltung musste kurzerhand in den großen Saal verlegt werden, da die Teilnehmerzahl die vorherigen Erwartungen sprengte.
RBW-Geschäftsführer Volker Suermann dankte den Sponsoren
Hoteldirektor Jörg Stricker begrüßte die Gäste und gab Einblick in die Anwendung der KI in der Hotellerie
Künstliche Intelligenz kann viel
Nach einer Begrüßung von RBW-Chef Volker Suermann und dem Direktor des Grandhotels Schloss Bensberg Jörg Stricker wurde es erst einmal fachlich mit einem Vortrag von Dr. Martin Stein vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, St. Augustin. Dr. Stein präsentierte in seinem Vortrag ‚Künstliche Intelligenz – Einblicke in die Möglichkeiten und Anwendungen‘ eine kurze Einführung in die KI und stellte praktische Beispiele für ihren Nutzen in mittelständischen Unternehmen vor.
Ein zentraler Punkt ist dabei, sich mit den Datenmengen im Betrieb zu befassen, die letztendlich Mehrwerte schaffen, weil man sie sammelt, auswertet und daraus lernt – indem die KI mit den Daten trainiert wird. Hierbei machte Dr. Stein deutlich, dass es unterschiedliche Ansätze gibt, Verfahren mit KI-Lösung im eigenen Unternehmen in Gang zu setzen. Und er versuchte seinem Publikum eine große Hemmschwelle für den Einstieg mit KI zu nehmen: „Es gibt unfassbare viele Open Source-Modelle, also Software, die KI nutzt und frei verfügbar ist. Viele Unternehmen gehen davon aus, dass mit der KI ein sehr hoher Aufwand verbunden ist, um sie nutzbar zu machen und Modelle auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Aber für ganz viele Aufgaben gibt es bereits vordefinierte Sachen.“ Genau diese Open Source-Modelle eigneten sich perfekt, um sich dem Thema KI im Unternehmen anzunähern und erste Möglichkeiten auszuloten, sagt Stein.
Bensberger Runde
Gemeinsam mit der VR Bank eG Bergisch Gladbach-Leverkusen, der Bensberger Bank eG, der Volksbank Berg eG und dem Althoff Grandhotel Schloss Bensberg hatte die RBW in den großen Ballsaal geladen, um genau darüber zu diskutieren: Wie genau können die Unternehmerinnen und Unternehmer KI im eigenen Betrieb nutzen und wie gelingt der Einstieg?
Von der Theorie zur Praxis: Wie kann ich KI im Unternehmen nutzen?
Viele Unternehmen im Rheinisch-Bergischen befinden sich rund um das Thema Künstliche Intelligenz noch in der Findungsphase und es gibt zum Teil auch Berührungsängste. Das wurde in der anschließenden Diskussion und den Fragen der Unternehmerinnen und Unternehmer deutlich. Tenor: Der Nutzen von KI ist riesig, schön und gut – aber wie gestaltet sich der Nutzen für mein Unternehmen und wie kann ich KI konkret anwenden? „Es gibt keine Generallösung“, betont Dr. Martin Stein, „die größte Herausforderung besteht erst einmal darin, zu definieren, über welche Prozesse im Unternehmen man sprechen möchte. Sie müssen die Rahmenbedingungen abstecken, um die sie sich kümmern wollen“, skizziert er eine mögliche Herangehensweise. Ist der Rahmen klar, geht es darum, das passende KI-Verfahren einzusetzen – dafür zentral: Wo kommen die Daten her, die dafür genutzt werden können? Der KI-Experte nennt ein Beispiel: „Sie wollen zum Beispiel am Produktionsprozess arbeiten und eine praktische automatisierte Qualitätskontrolle an einer Maschine einführen. Dann liefern ihnen im besten Fall ihre eigenen Fachkräfte die Daten: Die Leute an den Maschinen können genau sagen, wonach sie gucken, ob ein Produkt gut oder schlecht ist. Das sind genau die Daten, die für das KI-Projekt gesammelt werden müssen. Wenn man die relevanten Daten hat, kann man einen Dienstleister mit ins Boot holen, der dann KI-Modelle auf Basis dieser Daten trainiert. Das ist dann ein iterativer Prozess und wäre ein möglicher Ablauf, wenn man im Unternehmen ein großes KI-Projekt anstoßen möchte.“
Es muss aber nicht sofort die Entwicklung einer speziellen Strategie und Erfassung großer Datensätze sein, um KI im Unternehmen einzuführen, betont Martin Stein nochmals. Um ganz einfach zu starten, kann man verfügbare Tools, also offene Werkzeuge, nutzen und herunterladen: „Die kann jedes Unternehmen für jeden Zweck einsetzen!“ Sobald man sich aber klar sei, dass man das Unternehmen mehr und mehr auf KI-Prozesse stützen möchte, sei eine strategische Planung unabdingbar.
Beispiele für KI in Unternehmen am Standort Rhein-Berg
Diese grundlegenden Gedanken rund um die Nutzung von KI haben sich einige Unternehmen im Rheinisch-Bergischen schon gemacht und in der Bensberger Runde die Interessierten an ihren Erfahrungen teilhaben lassen. Das Unternehmen Putzier Oberflächentechnik aus Leichlingen ist gerade in der Planung, KI zur Automatisierung und Beschleunigung von Arbeitsprozessen zu nutzen. Unternehmer Jens Putzier hat sich dafür eine Fachfirma ins Haus geholt, die sich in einem Assessment das Unternehmen angeguckt und dann dargestellt hat, wo KI helfen könnte. „Wir fangen jetzt damit an, den Prozess zu vereinfachen, wie man die Anfragen von Kunden direkt in Angebote umwandeln kann, ohne dass es Ressourcen bindet, sondern dass es schnell geht“, sagt Jens Putzier. Sein Antrieb KI einzusetzen? „Ich habe festgestellt, dass meine Mitarbeiter unheimlich viel Zeit verschwenden für Dinge, die total langweilig und jeden Tag gleich sind und die eine KI machen könnte. Bei Anfragen schauen wir, gibt es das Material oder bei Zeichnungen gucken wir, können wir das fertigen und wie lange dauert das. Wir wollen jetzt umsetzen, dass das eine KI übernimmt.“ Eine Entlastung für die Mitarbeiter: Durch die frei gewordene Arbeitszeit können sie sich mit Dingen beschäftigen, für die sie sonst nie Zeit hatten. Außerdem schafft die KI Arbeitsplätze, sagt Putzier: „Wir bekommen mehr neue Aufträge dadurch, dass wir schneller und mehr Angebote abgeben können. Das schafft auf Dauer Arbeitsplätze in der Produktion.“ Die KI soll in den nächsten Monaten bei Putzier Oberflächentechnik starten. „Wir sind gespannt, wie es klappt. Schlimmstenfalls weiß ich, was KI nicht kann“, lacht der Unternehmer.
Der Seniorenpark-Betreiber carpe diem mit Hauptsitz in Wermelskirchen nutzt KI bereits – und zwar in der Pflege. Was erst einmal ungewöhnlich klingt, macht aber bei genauerem Hinsehen durchaus Sinn, denn in der Pflege werden massenhaft Daten erhoben. Das, was am Menschen getan wird, muss aus rechtlichen Gründen genau erfasst und dokumentiert werden, sagt Marc Urban, IT-Leiter von carpe diem: „Das sorgt dafür, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Beruf ergriffen haben, um am Menschen zu sein, viel Zeit am PC verbringen müssen. Das ist über die Jahre immer aufwendiger geworden. Und wir haben uns gefragt: Wie können wir die Zeit denn wieder begrenzen?“ Die Antwort: mit KI. carpe diem nutzt erfolgreich eine Sprachdokumentations-App, inzwischen schon in vier Seniorenparks.
Die Mitarbeitenden dokumentieren über die App Bewohnernamen und sprechen die Dokumentationsdaten ein, erklärt Urban das System: „Die KI erkennt dann aus diesem Fließtext die einzelnen Maßnahmen und sortiert sie in der Dokumentations-App ein. Damit sparen wir pro Tag und pro Mitarbeiter 30 bis 40 Minuten Zeit ein, die mehr für die Pflege bleibt. Diese Zeit kommt dann den Bewohnern zugute.“ Das System soll Schule machen in allen Seniorenparks von carpe diem. Marc Urban möchte die Anwendung von KI im Unternehmen weiter ausbauen: „Wir überlegen jetzt, wie wir es schaffen können, die Dokumentation an sich zu automatisieren. Zum Beispiel könnten Bewohner Smartwatches tragen, wo Puls- oder Vitalwerte übertragen und automatisiert in einer Pflegedokumentations-Software gesammelt werden.“ Für ihn eine sehr spannende Entwicklung – und einen Tipp hat er für die anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer auch noch: „Es kam mehrfach die Frage auf, wie man KI überhaupt im Unternehmen testen kann. Versuchen sie mal ihre Fach-Messen abzuklappern und da gezielt in den Start-up-Bereich zu gehen, um Unterstützung zu finden, erste Projekte anzugehen. Mit diesen niedrigschwelligen Kontakten haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.“
Auch das Ingenieurbüro Graner & Partner aus Bergisch Gladbach arbeitet mit einem jungen Start-up zusammen, das KI für Unternehmen programmiert. Der Auftrag von Unternehmer Bernd Graner-Sommer: Das Start-up Your Easy AI des Leichlingers Patrick Imcke sollte die Daten, die sich seit über 15 Jahren im Unternehmen ansammeln, analysieren. Die Frage ist, ob sie für das Unternehmen verwendbar sein können. Die Antwort? Sind sie und sie sollen in Zukunft wie ein Wissenspool funktionieren. „Das Wichtigste im Ingenieurbüro ist, dass ich erfahrene Mitarbeiter habe. Deren Erfahrung von 15 bis 20 Jahren digitaler Arbeit liegt vor. Das wollen wir nutzen“, sagt Graner-Sommer. Man wolle Wissen aus dem alten Wissensschatz generieren, indem junge Mitarbeiter darauf zugreifen können, so die Idee: „So als hätten sie einen alten Mitarbeiter, der 40 Jahre gearbeitet hat und den man alles fragen kann.“ Gibt es Problemstellungen, sollen junge Mitarbeiter in Zukunft die KI wie ein eigenes Google nach einer passenden Lösung fragen können, erklärt Graner-Sommer: „Die Lösung ist dann nicht aktuell und man muss noch daran arbeiten, aber sie kommt bereits aus unserem Haus.“ Das diene als Grundlage und soll auf lange Sicht sehr viel Zeit einsparen, so der Plan.
Potenziale der KI nutzen: Die RBW bietet Hilfe an
Es macht also durchaus Sinn, sich Hilfe ins Haus zu holen, wenn die große Welt der KI noch ein Buch mit sieben Siegeln zu sein scheint. Es gibt diverse Dienstleister und auch Start-ups im Rheinisch-Bergischen, die mit den Themen vertraut sind und Unternehmen unterstützen. Die RBW vermittele da gerne und gibt die Kontakte weiter, betonte Volker Suermann abschließend. „Die Künstliche Intelligenz bedeutet sicher für den Mittelstand am Standort Rheinisch-Bergischer Kreis eine große Chance, die es zu nutzen gilt. Auf diesem Weg wollen wir sie begleiten und konkrete Angebote und Formate entwickeln“, so Suermann. Er verwies direkt auf einen Folgetermin am 20. März im Schloss Eulenbroich in Rösrath: Bei einem Workshop ‚KI-Anwendung in der Praxis‘ gibt es für Interessierte noch einmal praktische Anleitung, wie die Potenziale von KI ins eigene Unternehmen passen können.
Erste Impulse dazu haben die Unternehmerinnen und Unternehmer bereits bei dem gewohnt entspannten Get-together nach dem offiziellen Teil der Bensberger Runde vertiefen können. Denn gerade der Austausch mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern über Zukunftsthemen macht die Bensberger Runde zu einem wichtigen Format und einem gesetzten Termin im Kalender vieler Unternehmen im Rheinisch-Bergischen.
Autorin: Nicole Schmitz
Fotos: Klaus Lawrenz