Krahnen schickt Staubsaugervertreter in Rente und ist damit der Konkurrenz in der Corona-Pandemie zwei Schritte voraus
Es ist das typische Bild, das man im Kopf hat, wenn man an eine Staubsaugerfirma denkt: Der nette Vertreter, der an der Haustür klingelt, um sein Produkt vorzuführen und bestenfalls an den Mann oder die Frau zu bringen. Staubsaugerfirmen gelten als Experten des unerwarteten Hausbesuchs. „Das sind wir nicht! Das machen wir nicht! Wir sind ganz anders“, sagt Simon Alker sehr bestimmt. Alker ist Betriebsleiter bei der Firma Krahnen mit Sitz in Köln und Bergisch Gladbach. Das Familienunternehmen Krahnen produziert und vertreibt Sauger – aber nicht den klassischen Staubsauger, sondern Industriesauger vor allem für Chemie- und Pharmaindustrie. „Das rein physikalische Prinzip ist immer noch: Ich sauge etwas auf und tue das irgendwo rein – also ich mache Schmutz weg. Aber wir machen das für jegliche Art problematischer Medien. Das können Säuren oder Laugen sein, das können Wirkstoffe von Medikamenten sein, das kann Kerosin oder Benzin sein“, erklärt Simon Alker.
Die Firma Krahnen mit inzwischen 28 Mitarbeitern ist europaweiter Marktführer im explosionsgefährdeten Bereich. Das Unternehmen produziert Reinigungssysteme wie Industriesauger, Gewerbesauger und Pharmasauger, aber auch Absauganlagen und Bodenreinigungsmaschinen für Kunden aus der Chemie-, Pharma-, Lebensmittel-, Petro-, und Zündstoffindustrie. Die zu entsorgenden Stoffe sind häufig nicht nur umweltschädlich und brennbar, können sich also entzünden und zu Explosionen führen, sondern sie sind auch hochgradig toxisch: „Das sind zum Beispiel auch radioaktive Stoffe. Im Grunde alles das, wo man nicht will, dass es in die Umwelt oder an den Menschen gelangt“, sagt Betriebsleiter Simon Alker. Krahnen produziert und verkauft die Sauger, bietet aber auch sämtliche Dienstleistung an – von Beratung über Planung bis hin zu Schulungen und Inbetriebnahme der Geräte.
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Der Staubsaugervertreter hat ausgedient
Seit vier Jahren verzichtet das Unternehmen komplett auf einen Vertrieb im Außendienst. Ein Unternehmen für Sauger – ohne Vertreter, der durch die Lande fährt? Kann das funktionieren? Simon Alker sagt: „Ja! Aber die Entscheidung vor vier Jahren war nicht ganz einfach. Man denkt sich schon: Wenn ich den Vertrieb nicht mehr habe, habe ich ja das Herzstück meines Unternehmens nicht mehr.“ Denn schon der Juniorchef Guido Garnies ist in den Unternehmensanfängen mit dem Prototyp seiner selbstentworfenen ersten explosionsgeschützten Bodenreinigungsmaschine im Kombi durch Deutschland getourt, um seinen Sauger den großen Chemiekonzernen vorzuführen.
Trotzdem hat er gemeinsam mit Betriebsleiter Simon Alker den Vertrieb 2018 vollständig auf digital umgestellt – zu Zeiten als Corona noch niemand kannte. Bis zur Umstellung gab es auch bei der Firma Krahnen ein ganzes Vertriebsteam im Außendienst samt Vertriebsleiter, der durch Deutschland getingelt ist und die Firmen besucht hat – das klassische Klinkenputzen. „Als der Vertriebsleiter die Firma verlassen hat, haben wir das als Chance begriffen. Wir haben gesagt, wir machen das jetzt anders. Wir machen keine Vorführungen vor Ort mehr. Wir können sowieso keine Kalt-Akquise machen bei großen Chemiekonzernen, weil man ohne Termin gar nicht mehr auf das Werksgelände kommt“, sagt Simon Alker. Außerdem sei es schwierig und kostenaufwendig, hundert Produkte in einem Transporter durch Deutschland zu fahren. Daher der radikale Schritt bei Krahnen: „Wir machen das jetzt digital!“ Ein Risiko für das Unternehmen, durch das Standing der Firma Krahnen am Markt aber ein logischer Schritt. „Wir waren schon immer Vorreiter in der Branche“, bekräftigt Alker.
Online-Präsentation via Zoom und Co.
Für seine Präsentationen hat Krahnen in Bergisch Gladbach-Refrath ein großes Schulungszentrum von über 100 Quadratmetern errichtet, wo alle Krahnen-Produkte als Vorführgeräte stehen. Via Teams, Zoom und Co. wird dem Kunden der Sauger vorgeführt und dann gemeinsam diskutiert, was am besten passt. „Wenn es um die Entsorgung problematischer Stoffe geht, weiß jeder, dass man das beim Krahnen kauft“, sagt Simon Alker. Die Kunden fragen entsprechend bei Krahnen an, werden telefonisch beraten, schicken Bilder von der Produktion oder Datenblätter von den Stoffen, die entsorgt werden müssen. „Ein klassischer Fall war zuletzt eine Werksfeuerwehr. Die haben einen Container für Gefahrenstoffe und Laugen – insgesamt 35 verschiedene Stoffe gibt es auf dem Werksgelände. Und sie haben einen entsprechenden Abholcontainer, auf dem ein definierter Platz ist, wo unser Sauger hin soll, der dann die Laugen und Säuren absaugen soll. Wir entwickeln dann Lösungsvorschläge“, erklärt der Betriebsleiter. Die Vorschläge werden dem Kunden dann digital vorgeführt: Das funktioniere sehr gut, sagt Alker: „Aber auch digital muss man den Kunden abholen, Sicherheit vermitteln und ihn unterstützen. Das erfordert ein gewisses Fingerspitzengefühl.“ In ihrem Showroom in Refrath hat die Firma mittlerweile ein richtiges Studio aufgebaut mit speziellen Mikrofonen, einer besonderen Kamera, um das Erlebnis für den Kunden zu perfektionieren.
Vor der Corona-Pandemie war zum Teil noch etwas Überredungskunst nötig, um die Kundschaft, die den klassischen Vertriebler vor Ort gewöhnt war, von einer digitalen Präsentation zu überzeugen. „Häufig hieß es dann nach der Videovorführung ‚Kommen Sie doch trotzdem mal vorbei’“, sagt Simon Alker.
Und dann kam die Pandemie. Und die Firma Krahnen war vorbereitet: Das Unternehmen hatte mit der Digitalisierung früh genug alle Grundlagen geschaffen, um weiterhin die Kundschaft zu erreichen. Natürlich spielten dem Unternehmen auch die Zielmärkte in die Karten: Ein Pharma- oder Chemiekonzern konnte nicht einfach in den Lockdown geschickt werden, damit blieb die Zielgruppe der Produkte bestehen. Außerdem hat sich die digitale Kommunikation etabliert und damit kam auch der Zuspruch des Kunden, sagt Alker: „Homeoffice ist normal geworden und selbst meine Oma kann inzwischen mit Teams umgehen. Dementsprechend werden unsere digitalen Vorführungen inzwischen super vom Kunden angenommen!“ Das erkennt auch die Konkurrenz, heißt es von Krahnen. Marktbegleiter haben jetzt mit den Problemen zu kämpfen, die Krahnen schon vor vier Jahren mit ihren digitalen Betriebswegen gelöst hat. „Die orientieren sich jetzt auch an uns und werden digitaler.“
Der moderne Vertriebler wird zum Moderator
Betriebsleiter Simon Alker
Während die Konkurrenz an der Digitalisierung arbeitet, hat Krahnen sie inzwischen perfektioniert. Damit verändert sich auf die Vertriebsaufgabe der Mitarbeiter: „Die Stärken von Vertriebsmenschen im klassischen Sinn sind das Interagieren mit Menschen und auch die Reaktionen zu lesen. Was natürlich per Kamera komplett anders ist. Da liegt der Fokus jetzt viel mehr auf dem Produkt, das wir präsentieren, als auf der menschlichen Komponente Kunde-Verkäufer“, weiß Simon Alker. Deshalb ist bei der Firma Krahnen auch jeder Mitarbeiter dazu ‚verdonnert‘ – egal ob Vertrieb, Technik oder Buchhaltung – einmal im Monat mit einem Krahnen-Sauger die Werkstatt zu saugen: „Wo packe ich den Schlauch hin, was mache ich mit dem Kabel und der An- und Ausschalter ist eigentlich auf der falschen Seite – viele Dinge merkt man erst, wenn man das Gerät selber benutzt“, lacht Alker. Davon profitieren dann am Ende auch die Produkt- oder Erklärvideos, die Krahnen für Händler oder für die Endkunden produziert. „Bei der klassischen Vorführung früher hat das ja so funktioniert: Ich halte meine Hand vor den Sauger und der saugt meinen halben Ärmel mit ein. Und der Kunde ist direkt begeistert von der Power und will das Gerät haben! Diese Kraft des Saugers spüre ich aber bei einer Online-Präsentation nicht – dafür rücken jetzt andere Aspekte in den Fokus, die der moderne Verkäufer dem Kunden präsentiert. Zum Beispiel wie leicht ein Sauger zu zerlegen ist, um ihn zu reinigen oder wo man Qualitätsdokumente am Gerät ablegen kann“, erklärt Alker. Die Sicherheit steht für Krahnen immer an erster Stelle, denn bei explosiven Stoffen geht es um Menschenleben. Ist der Sauger im Einsatz und es treten Fragen auf, begleitet Krahnen seine Kunden auch hier weiter digital per Videokonferenzen, um den Kunden zu unterstützen. Wir haben eine große Verantwortung, sagt Simon Alker: „Deshalb haben wir auch keinen Online-Shop. Denn Sicherheit verkauft man nicht über einen Online-Shop.“
Bei den eigenen Mitarbeitern – vor allem bei den Mitarbeitenden im Vertrieb – hat sich das Anforderungsprofil bei Krahnen komplett gewandelt. Der klassische Vertriebsmitarbeiter hat bei Krahnen ausgedient: „Wir brauchen junge Menschen, die mit digitalen Medien aufgewachsen sind, die technikaffin sind und mit einer Kamera interagieren können“, sagt der Betriebsleiter. Hier profitiert Krahnen auch von der Fachkräftekampagne „Kluge Köpfe arbeiten hier“. Durch regionale Power von vielen kleinen Einzelnen könne man viel mehr Reichweite und Aufmerksamkeit generieren, betont Simon Alker: „Wir stehen als Mittelstand in der Mitarbeiterrekrutierung in Konkurrenz zu großen namhaften Firmen. Die jungen Leute, die motiviert sind, wissen oft gar nicht, dass es Krahnen gibt. Einen digitalen Vertrieb, wie bei uns, gibt es ja woanders gar nicht. Darauf muss ich natürlich auch aufmerksam machen, um potentielle junge Mitarbeiter zu erreichen.“
Simon Alker hofft, dass bei Krahnen der Spagat des technologischen Innovationstreibers und des modernen Innovationstreibers hinsichtlich der Digitalisierung weiter gut funktioniert. Aktuell steht ein Generationenwechsel im Betrieb an und damit verbunden auch die Suche nach Arbeitskräften – die größte Herausforderung der Pandemie, sagt Betriebsleiter Simon Alker. „Wer weiß, was die Zukunft bringt, welche Schritte wir gehen müssen. Aber das hat die Vergangenheit gezeigt: Einen mutigen Schritt zu gehen und auch mal was zu wagen, zahlt sich oft aus.“ Das Staubsaugervertreter-Image hat Krahnen dadurch erfolgreich abgeschüttelt.
Fotos: Krahnen GmbH
Autorin: Nicole Schmitz
Kluge Köpfe bei Krahnen
Mit der Fachkräftekampagne „Kluge Köpfe arbeiten hier“ möchte der Rheinisch-Bergische Kreis gemeinsam mit Partnern die regionale Wirtschaft aktiv dabei unterstützen, mehr Sichtbarkeit zu erlangen, um Fachkräfte für die heimischen Unternehmen zu gewinnen. Auch die Firma Krahnen fühlt sich der Region verbunden, „denn es gibt so viele hochtechnologische Betriebe in Nischen in unserer Region, die aber die Zielgruppe nicht erreichen. Kluge Köpfe ist ein Netzwerk, wo alle zusammenrücken und wir uns austauschen können. Wir sind gerne Mitmacher. Wenn es dem Wirtschaftsstandort hier gut geht, geht es uns auch gut“, betont Simon Alker, Betriebsleiter bei Krahnen.