Poly-IQ GmbH – Kunststoff-Recycling: Aus Alt mach Neu

Die Poly-IQ in Overath handelt mit Kunststoffen und entwickelt Zusätze, die recyceltem Plastik ähnlich gute Eigenschaften wie Neuware geben. Ihre Vision ist, so viele Rezyklate wie nur möglich „für eine bessere Welt“ einzusetzen.

Nagelneu präsentieren sich die Geschäftsräume der Poly-IQ in Overath-Untereschbach. Geplant war das nicht. 2017 erst kaufte das Unternehmen das Gebäude im Gewerbegebiet „Alte Ziegelei“. 2021 kam die Flut und das nahe Flüsschen Sülz überschwemmte das Erdgeschoss. Man zog ins Obergeschoss, renovierte, zog wieder nach unten. „Es gibt viele Geschichten drumherum“, sagt Prokuristin Freya Muschwitz. „Es ist immer spannend.“

Wobei „spannend“ für die vergangenen drei Jahre zurückhaltend ausgedrückt ist. Erst Corona mit all den Einschränkungen hinsichtlich Lieferketten, dann die Flut, jetzt der Ukraine-Krieg, der die Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Partner kompliziert macht. Nicht zuletzt sind die massiv gestiegenen Energiekosten in der energieintensiven Kunststoffverarbeitung ein mittleres Desaster.

V.l.n.r: Jürgen Muschwitz (Geschäftsführer), Norbert Grünewald (Leiter Geschäftsfeld Vertrieb und Technik) und Thomas Kämpf (Freiberufler Vertrieb)

Visionen, Ideen und neue Geschäftsfelder

Dabei ist die Branche schon ohne all die externen Einflüsse eine höchst spannende. Aber der Reihe nach. Gegründet wurde die Poly-IQ im Jahr 2010 durch Jürgen Muschwitz als reines Vertriebsunternehmen ohne eigene Produktion. 2015 kam Norbert Grünewald dazu. Neben jahrzehntelanger Erfahrung in der Kunststoffbranche bringen beide eine besondere Schwäche für Visionen mit. Die, die über allem schwebt, lautet: Wo immer es geht, soll recycelter Kunststoff verwendet werden. Und es geht fast überall. „Die Welt ein bisschen besser machen“, nennt es Geschäftsführer Jürgen Muschwitz auch.

Für das, was die Poly-IQ umsetzt, ist das Team mit sieben Angestellten und einem Freiberufler im Vertrieb klein. Jürgen Muschwitz, der sich selbst als „Hans Dampf in allen Gassen“ beschreibt, macht quasi im Multitasking Geschäftsführung, Einkauf und Vertrieb, knüpft Netzwerke, geht auf Messen, spricht mit Hochschulen und hat trotzdem – oder gerade deshalb – immer noch neue Ideen.

„Wir können alles beschaffen und produzieren lassen“, sagt Prokuristin Freya Muschwitz. Die Kunden sind kreuz und quer über Europa verteilt. Als Händler arbeitet Poly-IQ mit Lieferanten auf der ganzen Welt. Inzwischen lässt das Unternehmen auch eigene, selbst entwickelte „Spezialitäten“ produzieren – in Deutschland, den Niederlanden, Ungarn und der Ukraine. Produkte werden mit den Kunden gemeinsam und individuell entwickelt: Vom grünen Brotkörbchen, das in die Spülmaschine darf, über das Telefongehäuse bis zu einer Vielzahl an Produkten für den Bau, wie etwa Noppenbahnen für die Außenverkleidung.

Kunststofftechniker Michael Waeteraere bei der Arbeit im Labor

Noppenfolie aus Rezyklat, einsetzbar als Außenverkleidung

Verwandlungswunder Kunststoff

Ein Kunststoff ist ein komplexes Wesen, das vielfältig modifiziert werden kann. Durch Zusatzstoffe (Additive) lassen sich beispielsweise Farbe, Härte, Hitzebeständigkeit und Flamm- oder UV-Schutz verändern, aber auch die elektrische Leitfähigkeit und die Fähigkeit, Feuchtigkeit oder Gerüche zu absorbieren. Diese sogenannten Masterbatches (siehe „Kleines Kunststoff-Glossar“) machen am Ende zwar nur wenige Prozent am Gesamtrohstoff, aber dafür den entscheidenden Unterschied aus.

Polymer. Was Chemiker und Industriefachleute als Polymer bezeichnen, das nennt man im Volksmund Kunststoff oder Plastik. Der Begriff Polymer stammt aus dem Altgriechischen und setzt sich aus den Wörtern polý und méros zusammen. Polý bedeutet „viel“, während sich méros mit „Teil“ übersetzen lässt. Es handelt sich also um einen chemischen Stoff, der aus „vielen Teilen“, genauer aus langen Molekülketten, besteht. Es gibt Polymere mit einigen tausend, aber auch welche mit einer Million Einheiten. Die Kettenglieder bestehen aus Kohlenstoffverbindungen. Diese werden zwar meist aus Erdöl, Erdgas oder Kohle gewonnen, können aber auch aus nachwachsenden Rohstoffen gebildet werden. Etwa 4 % der weltweiten Erdölförderung werden für die Herstellung von Kunststoffen verwendet.

Recyclate sind wiederverwertete Kunststoffe, die von Haushalten, Industrie oder Gewerbetreibenden mindestens einmal entsorgt wurden und für die Herstellung neuer Produkte genutzt werden. Das heißt: Die Produkte haben bereits (mindestens!) einen Lebenszyklus hinter sich und werden durch Recyclingprozesse wieder auf den Markt gebracht. Eine PET-Flasche kann bis zu 80 mal recycelt werden. Sie kann aber auch zu einem Sport-T-Shirt werden. Es reduziert den Einsatz neuer Rohstoffe und senkt gleichzeitig den Energiebedarf. Die Branche der Verpackungshersteller bringt zurzeit 75 Prozent Recycling- oder mehrwegfähige Verpackungen auf den Markt; bis zum Jahr 2025 sollen es 90 Prozent sein. Für den Kontakt mit Medikamenten und Lebensmitteln sind sie bislang noch ungeeignet und könnten u. a. zur Graufärbung führen.

Masterbatches sind für die Kunststoffverarbeitung, was gute Zutaten und Gewürze für die Gourmet-Küche sind. Erst durch das richtige Masterbatch wird aus einem „einfachen“ Kunststoff ein ganz besonderes Produkt. So gibt ein Farbmasterbatch einem Kunststoff seine ganz eigene Färbung, die ihn erst zu einem individuellen Produkt unter allen anderen Kunststoffen macht.
Die Farbe ist ein sichtbarer Parameter, durch den sich Polymere voneinander unterscheiden können. Aber es gibt weitere Masterbatches die in den Ausgangsrohstoff eingebracht werden, um dessen Eigenschaften zu optimieren. Hierzu zählen zum Beispiel Masterbatches, die Feuchtigkeit absorbieren, Schutz vor Hitze oder UV-Strahlung bieten oder antistatisch wirken.
Der Begriff entstand vermutlich daraus, dass früher nur der Meister hochkonzentrierte und damit teure Mischungen (= englisch batches) zur späteren Verdünnung herstellen durften. Es waren die Mischungen des Meisters (= masterbatches). In deutscher Branchenumgangssprache spricht man von Farb-, Additiv- und Kombikonzentraten. Eine wissenschaftlichere, aber ungebräuchliche Umschreibung wäre „polymergebundene Zusatzstoffe“.

Compound. Der Begriff stammt aus dem Englischen (aus dem Englischen: to compound = „zusammensetzen“) und kann in etwa mit Verbundwerkstoff übersetzt werden. In einem speziellen Verfahren bei der Herstellung von Kunststoffen, die Compoundierung genannt wird, erfolgt die Verbindung mindestens zweier Stoffe. Das können entweder zwei unterschiedliche Kunststoffe sein oder ein Kunststoffgranulat, dem bestimmte Zusätze (Additive) zugegeben werden. Compoundierung wird bei der Herstellung von Kunststoffen eingesetzt, um dem Verbundwerkstoff neue, vom Kunden gewünschte Eigenschaften zu verleihen, die der aus einfachen Kunststoffgranulat hergestellte Werkstoff nicht hat. Für die Compoundierung werden nur sortenreines Kunststoffgranulat und Zuschlagstoffe verwendet. Es entsteht ein neuer Werkstoff, der die positiven Eigenschaften der Ausgangsstoffe vereint.

Poly-IQ GmbH
Alte Ziegelei 7
51491 Overath
Tel. +49 2206 854490
www.poly-iq.com
office@poly-iq.com

Um ihre Masterbatches zu entwickeln und Rohstoffe auf ihre Eigenschaften hin testen zu können, hat die Poly-IQ ein kleines Labor vor Ort. Bis zu 100 Kilogramm pro Tag können hier gefertigt werden. Alles, was in zahlreichen Paketen angeliefert wird, geht über den Tisch von Michael Waeteraere. Der Kunststofftechniker untersucht von der Oberfläche bis zum Schmelzindex das ganz individuelle Seelenleben der Rohstoffe.

Die Masterbaches sind es auch, die am Ende aus einem mittelmäßigen Rezyklat einen hochwertigen Rohstoff machen, der sich in seinen Eigenschaften nicht von Neuware unterscheidet oder sich in Teilen sogar besser präsentiert. „RecyclingPlus“ nennt Poly-IQ ihr Verfahren, das optimale Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaften bietet.

„Man muss in der Lage sein, Dinge vorauszusehen!“

Norbert Grünewald

Jahrzehntelange Erfahrung

„Dafür dreht Norbert Grünewald mal eben die Moleküle von links nach rechts“, sagt Jürgen Muschwitz lächelnd. Diplom-Ingenieur Grünewald ist Leiter Vertrieb und Technik. Mit 73 Jahren ist er bereits eine Weile im Rentenalter, was ihn jedoch nicht beeindruckt. Ein halbes Jahrhundert Erfahrung in der Kunststoffproduktion, Reisen in 130 Länder und seine diversen Innovationen, die den Kunststoffalltag verändert haben, treiben ihn immer noch an, seinen Schatz an Wissen und Intuition produktiv einzusetzen.

Auch Jürgen Muschwitz hat jahrzehntelange Erfahrung in der Branche, angefangen bei der Ausbildung bei BASF, als Kunststofftechniker im Labor, 15 Jahre in der Anwendungstechnik, als Vertriebsmann und Key Accounter mit Millionen Umsatzverantwortung in Deutschland und den USA. Muschwitz und Grünewald kennen sich seit dem Jahr 2000.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten aus Abfall

Labor zum Texten und Entwickeln

Das Verbessern der Eigenschaften von Rezyklaten beschränkt sich nicht nur auf Produkte, bei denen man es erwarten würde. Gerade erst hat Jürgen Muschwitz mit einem Recycler in Italien verhandelt, der seine Kunststoffabfälle teilweise in die Verbrennung gibt, etwa für die Energiegewinnung in der Stahlindustrie. „Es wäre sinnvoller, sie so zu verarbeiten, dass sie im Verbund mit Stahl dessen Eigenschaften verbessern“, sagt er. Oder auch die Asphaltindustrie: Spurrillen werden nicht nur mit Öl und Teer bearbeitet, sondern auch mit Zusätzen aus Kunststoffen. „Und auch das ginge mit Rezyklaten, nicht nur mit Neuware“, sagt Muschwitz.

„Man muss in der Lage sein, Dinge vorauszusehen“, wirft Norbert Grünewald ein, der täglich die Märkte beobachtet und analysiert. Eins seiner neuen Entwicklungsziele: ein biologisch abbaubares halogenfreies Produkt, das halogenhaltige Produkte ersetzen kann. Diese sind ab 2025 nämlich verboten.

Das Recycling von Polymeren begann bereits in den 1990er Jahren, als Privathaushalte begannen, ihre Kunststoffabfälle zu sammeln. Doch sie waren verschmutzt und hatten einen deutlichen Geruch, den viele Kunden nicht so einfach akzeptieren wollten. „Mitte der 1990 hieß es: Rezyklate stinken und taugen nichts“, sagt Grünewald. „Das hat sich bis heute bei vielen gehalten, obwohl es längst nicht mehr stimmt.“

Der Markt für qualitativ hochwertige Kunststoffe ist vielfältig und entwickelt sich dynamisch. Richtig Bewegung kam in die Branche durch gesetzliche und regulatorische Vorgaben. Bis vor wenigen Jahren kosteten Rezyklate noch weniger als Zweidrittel von Neuware. Bis 2025 müssen Produzenten nun einen Anteil von 30 Prozent Rezyklaten nachweisen – sonst gibt es deutliche Strafzahlungen. Der Markt hat sich angepasst, die Preise sind gestiegen, Konzerne verschiedener Branchen steigen aktiv in das Geschäft ein. „Die Großen der Konsumgüter-Branchen zahlen heute die Hälfte oder noch mehr auf den Neuwarenpreis obendrauf, nur damit sie die 30% auf die Verpackung schreiben können“, sagt Jürgen Muschwitz.

Von hinten nach vorne denken

Voraussetzung für die Gewinnung von Rezyklaten ist, dass die Neuware – und möglichst auch die daraus gewonnenen Rezyklate – geeignet sind, recycelt zu werden. „Sie müssen heute von hinten nach vorne denken“, sagt Grünewald. „Wenn die Recyclierbarkeit nicht ausreichend gegeben ist, heißt es zurück auf Los.“ Die Entwicklung neuer Produkte muss die Nachhaltigkeit bereits einschließen.
Das oben genannte Telefongehäuse besteht zum Beispiel bereits zu 100 Prozent aus dem eigenen Abfall des Kunden, und es kann selbst wieder zu etwas anderem werden, wenn es zwischendurch mal Abfall ist. Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft.

Norbert Grünewald und Prokuristin Freya Muschwitz

Ein letztes Beispiel: Bei einem Unternehmen in der Nähe hat Jürgen Muschwitz gesehen, wie durch die Verbrennung von Bio-Methan Wasserstoff gewonnen wird. Aus einem umweltschädlichen Gas entsteht ein Energieträger, wobei jedoch als Abfallprodukt Ruß anfällt, welches den Kohlenstoff bindet. Ruß wiederum wird in der Kunststoffherstellung zur Schwarzfärbung gebraucht. „Man könnte den gewonnenen Wasserstoff in Strom umwandeln und diesen für die Herstellung von Anlagen zur Kunststoffproduktion einsetzen. Das „Abfallprodukt“ Ruß kann in Rezyklaten zur Farbgebung eingesetzt werden. Unterm Strich lässt sich so völlig CO2-neutral produzieren“, sagt Muschwitz. Das Problem: Das alles koste erstmal Geld. Und Zeit. „Aber man muss dranbleiben“, sagt er, „denn die Zeit rennt.“

Autorin: Karin Grunewald
Fotos: Poly-IQ GmbH

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