RBW-Wirtschaftsforum
Nichts geht über Präsenz und persönlichen Austausch, über reales Kennenlernen und Wiedersehen – dies zeigte der voll besetzte Saal der Bundesanstalt für Straßenwesen BASt an dem schönen Frühlingsabend des 14. Juni 2022 auf eindrucksvolle Weise. Nachdem alle Forumsteilnehmer auf die 3 G-Regel überprüft worden waren, dankte Volker Suermann, Geschäftsführer der RBW, in seiner Rede zunächst dem Präsidenten der Bundesanstalt für Straßenwesen, Prof. Dr. Markus Oeser, für die Gastfreundschaft und die langjährige gute Partnerschaft, bevor er die anwesenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik begrüßte. Der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung Kreisdirektor Dr. Erik Werdel, der Bundestagsabgeordnete Dr. Hermann-Josef Tebroke sowie die vier Podiumsteilnehmer und das Publikum wurden herzlich willkommen geheißen. Anschließend hob Volker Suermann die Perspektive des heutigen Themas noch auf eine andere Ebene: Mit dem Hinweis auf die Agenda 2030 und den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, haben die Vereinten Nationen einen globalen Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands und zum Schutz unseres Planeten aufgelegt.
„In seiner Komplexität durchdringt das Thema viele Aspekte unseres Lebens, unserer Arbeit und unserer Wirtschaft“, erklärt der RBW-Geschäftsführer und weist auf den Green Deal der EU und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hin. „Aktives Nachhaltiges Wirtschaften wird für unseren Kreis ein enorm wichtiger Standortfaktor sein, sowohl für die Unternehmen als auch für die RBW. Und natürlich wollen wir Sie mit konkreten Projekten und Dienstleistungen zum Thema unterstützen,“ erklärte er. Außerdem dankte er Martin Krekeler und Andreas Mischko von der RELOGA GmbH, die das Wirtschaftsforum unterstütze und im Foyer der BASt einen später gut besuchten Informationsstand aufgebaut hatte. Die weitere Zusammenarbeit wollen RBW und RELOGA intensivieren.
(v.l.nr.): Prof. Dr. Markus Oeser, Präsident der Bundesanstalt für Straßenwesen, Kreisdirektor Dr. Erik Werdel, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der RBW, Monika Lichtinghagen-Wirths, Bergischer Abfallwirtschaftsverband (BAV), Lukas Hackländer, Inhaber Alfotec GmbH und Gründer der aCharger GmbH aus Wermelskirchen, Silke Ratte, RBW-Prokuristin (Moderatorin), Martin Geveke, Geschäftsführer der ASLAN Selbstklebefolien GmbH aus Overath, Volker Suermann, RBW-Geschäftsführer, Ron Woydowski, Inhaber der Woydowski GmbH Heiztechnik und Bäder aus Bergisch Gladbach.
Chance auf Vorreiterrolle
Professor Oeser berichtete von dem Bauboom von heute und darüber, dass neue energieeffiziente und ressourcenschonende Bau-, Betriebs- und Erhaltungsstrategien entwickelt werden müssen, um die Klimaziele der deutschen Bundesregierung einhalten zu können. Er berichtete darüber, wie sich Verkehrs- und der Automobilsektor verändern. Oeser hält es für eine Chance der deutschen Wirtschaft, wenn die derzeitige Vorreiterrolle bei den konventionellen Technologien auch in den Zukunftsfeldern wie Elektromobilität, Batterieforschung, Wasserstoffforschung und Rezyklieren von Fahrzeugen und Fahrzeugkomponenten im Sinne einer echten Kreislaufwirtschaft eingenommen wird.
Um einen interessanten Einblick zu erhalten, wie unterschiedlich Nachhaltigkeit in Unternehmen stattfindet und welche Chancen und Herausforderungen dabei entstehen können, hatte die RBW die vier Podiumsteilnehmer mit vielschichtigen Statements eingeladen. Silke Ratte, Prokuristin der RBW, führte dabei versiert durch den Abend.
Monika Lichtinghagen-Wirths
Martin Geveke
Lukas Hackländer
Ron Woydowski
Zirkuläre Wertschöpfung
Monika Lichtinghagen-Wirths, Geschäftsführerin des Bergischen Abfallwirtschaftverbandes stellte auch das Netzwerk Zirkuläre Wertschöpfung Bergisches RheinLand vor. Sie befasst sich mit der Kreislaufwirtschaft nicht nur im Entsorgungsbereich und appelliert an die Kommunikation. Ihr Statement ‚Aus linear wird zirkulär‘ bedeutet, dass bereits beim Produktdesign Produzenten, Logistiker und Entsorger gemeinsam darüber nachdenken müssen, wie das Produkt letztlich entsorgt wird.
Martin Geveke, Geschäftsführer der ASLAN Selbstklebefolien aus Overath, unterstützt Monika Lichtinghagen-Wirths und geht noch einen Schritt weiter. „Wir sind vorsichtig mit der Aussage ‚nachhaltig, grün, ökologisch‘“. Im Blog der RBW erhält man einen Einblick über ASLAN zum Thema Nachhaltigkeit (Beitrag „Der selbstklebende Weg in die Nachhaltigkeit“). Die Firma ASLAN produziert Produkte für Handel und Werbetechnik. In der Branche erkennt Martin Geveke seit fünf Jahren einen starken Trend zu nachhaltigen Produkten. „Das Thema Recycling spielt eine große Rolle. Es gibt allerdings Bewegungen, die einfach einen umweltfreundlichen Stempel aufdrücken, obwohl keiner weiß, was drin ist. Wir wollen kein ‚greenwashing‘ betreiben.“
‚Nachhaltigkeit braucht Freiräume, Zukunftsfähigkeit braucht Weitblick‘ ist das Statement von Lukas Hackländer aus Wermelskirchen. Er ist Inhaber zweier Firmen, die unterschiedlicher nicht sein können: ALFOTEC beschäftigt sich mit Intralogistik und Verteilerzentren. Hackländer übernahm den klassischen Industriebetrieb vor fünf Jahren von seinem Vater. Weiterhin gründete er das Jungunternehmen aCharger, das sich zunächst mit der E-Ladeinfrastruktur im B2C-Bereich und heute mit Ladelösungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) beschäftigt. Mehr Informationen zu der innovativen Neugründung gibt es im RBW-Blog dazu. (Beitrag „Mit der Elektroflotte das Büro heizen“). Lukas Hackländer erklärt: „Wir haben gemerkt, wie stark der Markt im Wandel ist und gerade in den letzten Jahren haben sich durch die Krisen zum Thema Nachhaltigkeit einige Aspekte aufgetan. Diese Chance haben wir genutzt und uns mit aCharger ein zweites Standbein aufgebaut.“
Eine ganzheitliche Betrachtung ist notwendig, wie Monika Lichtinghagen-Wirths anhand der Fünffach-Helix erklärt.
Kreislaufwirtschaft
Als Inhaber eines klassischen Handwerksbetriebs mit 20 Mitarbeitern im Bereich Heizung und Bad in Bergisch Gladbach ist Ron Woydowski ein echter Early Bird auf dem Gebiet – sein Motto: ‚Vorsprung durch Nachhaltigkeit‘. Er schilderte, wie stark sich sein Geschäftsmodell verändert und wie sehr die Beratungsleistung beim Kunden zugenommen hat. Außerdem wurde die gesamte Woydowski-Flotte auf E-Mobilität umgestellt. „Der Geschäftszweig Wärmepumpe hat sich komplett gewandelt, auch durch den Angriffskrieg in der Ukraine. Während sich früher die Nachfrage nach herkömmlichen Heizungen auf 80 bis 90 Prozent belief, ist es jetzt komplett anders herum. Derzeit sind wir über ein Jahr ausgebucht. Hinzu kommen Material- und Fachkräftemangel – auch diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen.“
In der Kreislaufwirtschaft geht es darum, die Produkte länger zu nutzen, oder abzuwägen, welches Produkt für welchen Einsatz geeignet ist. Da kann es sein, dass am Anfang mehr Ressourcen verbraucht werden, es aber so langlebiger ist. Im Hinblick darauf weist Monika Lichtinghagen-Wirths darauf hin, wie wichtig aussagekräftige Zertifizierungen sind. Vor allem, damit der Verbraucher Entscheidungen treffen kann. Genau das macht ASLAN. Das Overather Unternehmen hat seine Produkte in Rohstoffe und Recycelfähigkeit aufgeschlüsselt und in einem Flyer für die Kunden festgehalten. Allerdings ist auch wichtig, Produkt und Einsatz abzuwägen. „Wird bei der gewünschten Folie eine langlebige Verklebung benötigt, ist PVC das beste Material. Recycelfähiges Material nutzten wir für Kurzanwendung, wie den Hinweis auf Sommerschlussverkauf. Hier muss man sich die Mühe machen und schauen, welches Produkt welchem Einsatzzweck dienen soll. Als Hersteller sind wir da aufgefordert, diese Beratung über unsere Händler zu leisten, damit der Kunde das richtige Produkt auswählen kann. Erst dann bin ich beim recyceln“, so Geveke.
Lukas Hackländer hat hierzu eine differenzierte Meinung. „E-Mobilität beispielsweise sollte nicht nur linear als Fortbewegungsmittel, sondern auch als dezentrale Speichermöglichkeit genutzt werden. Dann können wir darüber sprechen, dass die regenerativen Energien eine Chance erhalten, um es in der breiten Masse umzusetzen. Dann macht das Ganze Sinn.“
In der Praxis sieht die Sache ganz anders aus, findet Ron Woydowski: „Innovationen können nur erfolgen, wenn man die Dinge anpackt.“ Monika Lichtinghagen-Wirths erklärt: „In den Gesprächen mit den Unternehmen hat sich da sehr schnell herausgestellt, dass die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden muss, aber auch, dass zur Umsetzung der Transformation folgende Parameter unabdingbar sind: Technische Machbarkeit, ökonomische und ökologische Wirksamkeit, administrativer Rahmen und schließlich gesellschaftliche Akzeptanz. Deswegen freue ich mich über diese Veranstaltung hier!“
Größte Herausforderung
Die größte Herausforderung sieht Lukas Hackländer bei den KMU: Können sie sich Nachhaltigkeit mit grünem Wasserstoff leisten? Wie werden die Maschinen mit den vorhandenen Ressourcen betrieben? „Für die Industrie ist die Planungssicherheit wichtig. Darauf könnten wir dann die Infrastruktur ausrichten. Geforscht wird da schon seit Jahren und es gibt viele Konzepte.“
Auch Ron Woydowski ist der Meinung, die Energiewende sei über mehrere Jahre noch zu halbherzig betrieben worden ist. „Natürlich können wir als kleine Handwerkbetriebe nicht der großen Industrie zeigen, wie es geht. Doch die Techniken sind da, teilweise in Deutschland erfunden worden. Wir haben das riesen Know-how, jetzt müssen wir noch Tempo machen.“
Lukas Hackländer ergänzt: „Die Chancen werden leider oft erst sehr spät erkannt. Meistens erst, wenn es umgesetzt ist und Früchte trägt. Daher ist Nachhaltigkeit in unseren Unternehmen ein Invest.“ Dass die Unternehmen bereits von Lieferanten Nachweise zum Thema Nachhaltigkeit fordern, bestätigt Hackländer für seine Großkunden. „Doch die Industrie muss noch viel mehr umdenken“, erklärt er. „Zu häufig ist es noch so, dass wenn es zur Endverhandlung kommt, die besonders effizienten Motoren herausfliegen. Dass die gewählten Motoren nicht nur mehr Strom verbrauchen, sondern auch der Kühlungsbedarf der Elektronik steigt, fällt dabei aus der Betrachtung.“ Für sein eigenes neues Geschäftsmodell aCharger sieht er viele Chancen. So stellte er fest, dass bereits ein halbes Jahr Nutzungsenergie seines Unternehmens durch die Photovoltaikanlage abgedeckt wurde und damit auch die Fahrzeugflotte bedient werden konnte.
Besonderen Entwicklungsbedarf sieht Monika Lichtinghagen-Wirths darin, Unternehmen so aufzustellen, dass sie zukunftsorientiert arbeiten können. Im Projekt :bergische Ressourcenschmiede werden die Schwerpunkte Forschung und Transfer sowie Bildung ganzheitlicher Lösungen zu aktuellen Zukunftsfragen der Ressourcenwirtschaft entwickelt und in Bildungsangebote übertragen. Das Netzwerk Zirkuläre Wertschöpfung Bergisches RheinLand ist Teil der :bergischen ressourcenschmiede. In Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsförderungen stellt es klein- und mittelständischen Unternehmen der Kreise Oberberg, Rhein-Berg und Rhein-Sieg Information und Fachaustausch zu zirkulärer Wertschöpfung zur Verfügung. Ziel des Netzwerks ist es, Unternehmen darin zu unterstützen, Chancen und Potenziale für eine zirkuläre Ressourcenwirtschaft im Betrieb zu identifizieren und Schritt für Schritt umzusetzen.
Weitere zukunftsweisende Projekte zeigten zwei Unternehmen im Publikum auf. Die SB Unternehmensgruppe aus Leichlingen wäscht BigBags, statt sie zu entsorgen (im RBW-Blog „Nachhaltigkeit in der Logistik“). Die großen BigBags kommen in der Logistik zum Einsatz und sind das Pendant zur Europalette. SB hat mit ‚BigBag Waschen‘ ein Verfahren entwickelt, durch dass das Produkt bis zu 60 Mal wiederverwendet werden kann, um anschließend in der PET-Flaschenproduktion recycelt werden zu können.
Schönes Beispiel der Vernetzung
Die Kommunikations-Agentur taaro aus Bergisch Gladbach wiederum entwickelt das Design für Showrooms, Messestände und andere Räume mit nachhaltigen Materialien, damit keine Räume weggeschmissen werden müssen (im RBW-Blog „Marke im Raum – nachhaltig designen“). „Wir wollen die Kreislaufwirtschaft in das zirkuläre Design integrieren und arbeiten dort mit verschiedenen Gestaltungsprinzipien, um diese in unserem Auftrag umzusetzen,“ erklärt Stefan Klopp, Co-Founder und Kreativstratege bei taaro. Zusätzlich entwickelt das Unternehmen eine APP, in der das zu verwendende Material verglichen werden kann. Martin Geveke, Geschäftsführer von ASLAN Selbstklebefolien, nutzte sogleich die Chance innerhalb des Wirtschaftsforums. Mit seinem Informationsflyer über die Inhalte seiner Selbstklebeprodukte sprang er vom Podium und übergab sie dem Raum-Designer Stefan Klopp von taaro. Der freute sich aufrichtig. Ein schönes Beispiel der Vernetzung auf dem diesjährigen Wirtschaftsforum der Rheinisch- Bergischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (RBW).
Autorin: Birgit Franke
Fotos: Michaela Wohlleber