NewSpace Start-up Marple verbindet Erdbeobachtung und KI

Autoverkehr, Solaranlagen, Grünflächen – die Marple GmbH in Bergisch Gladbach sieht, was andere nicht sehen und nutzt dafür Künstliche Intelligenz.

Es ist das Thema, das gerade alle Kommunen beschäftigt: der Klimawandel und seine Folgen. Wie viele Autos sind in der Stadt unterwegs? Wie können wir Emissionen reduzieren? Wo gibt es Hitzeinseln in Ballungsräumen und wie können wir in Zukunft bauen, um diese abzumildern? Auf diese Fragen suchen viele Städteplaner zurzeit Antworten. Eine Datengrundlage, um diese Antworten auch fundiert abzusichern, gibt es aber nicht wirklich: Das Autoaufkommen wird von den Kommunen bislang nur unzureichend erfasst. Die Instandhaltung von Messstationen ist kostenintensiv, ebenso liefern Zählungen keine validen Ergebnisse.
Was, wenn es einfacher geht? Wenn man die Entscheidungen innerhalb der Städteplanung mit einer fundierten Datengrundlage absichern kann, weil man eine Erfassungsmethode nutzt, die diese Daten zuverlässig liefert? Hier setzt die Marple GmbH aus Bergisch Gladbach an – weil sie genau das kann: Sie nutzt Künstliche Intelligenz (KI), um auf Satelliten- und Luftbildaufnahmen und anhand von Geoportaldaten Erdbeobachtungen zu erfassen – das Autoaufkommen in einem bestimmten Bereich, die Anzahl von Solarflächen in einer Stadt, Hitzeinseln in Wohngebieten oder auch Grünvolumen. Die Möglichkeiten sind geradezu unbegrenzt und branchenübergreifend: „Alles, was nicht unterirdisch ist, kann man auf Satellitenbildern sehen“, sagt Daniel Lanz. Er ist einer der drei Gründer und Geschäftsführer der Marple GmbH, die ihren Sitz im Rheinisch-Bergischen TechnologieZentrum (RBTZ) in Bergisch Gladbach hat. Den Impuls, sich im RBTZ anzusiedeln, hat die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (RBW) geliefert, die Daniel Lanz und der Marple GmbH beratend zur Seite steht. „Vor allem das Netzwerk, das die RBW den Gründern zur Verfügung stellt, ist eine große Bereicherung“, sagt Lanz.

KI ist schon früh im Bereich Bilderkennung genutzt worden, sagt Daniel Lanz: „Ein Beispiel, das jeder kennt, ist das Autonome Fahren. Auch hier werden sehr viele Kamerasysteme genutzt, um bestimmte Objekte zu erkennen. Zusätzlich gibt es natürlich noch viele andere Sensoren, wie Abstand, Radar usw., aber die Bilderkennung ist in diesem Bereich ein ganz plastisches Beispiel, wo KI verwendet wird.“ Das Thema Bilderkennung ist aber in vielen weiteren Bereichen relevant, in der Luftbildauswertung und in Geoportaldaten lassen sich unendlich viele Dinge erkennen. Damit die KI diese Dinge auch sieht, muss sie lernen: Jede KI braucht Trainingsdaten. Lanz erklärt es so: „Einem Kind erklärst du zehn Mal, was eine Katze ist und dann kann das Kind eine Katze schon ganz gut erkennen. Es gibt dann aber immer noch ab und an Verwechslungen. Dann übt man das noch etwas weiter, bis das Kind sicher ist. Genau das kannst du mit KI für sehr viele Dinge machen – ob das Fahrzeuge sind, Personen oder Gebäude auf Luftbildern oder auch Paketsendungen auf Fließbändern. Solange du diese Trainingsdaten erstellst und sie der KI gibst, hat es ein gutes Potential, Dinge zu automatisieren.“
Die Satellitenbilder oder Geoportaldaten, mit denen die KI trainiert wird, müssen aber vorher bearbeitet werden. Ganz praktisch funktioniert es so: Alle relevanten Objekte, die es zu erfassen gilt, müssen umkreist werden. Daniel Lanz nennt ein Beispiel: „Wenn die Stadt Bergisch Gladbach wissen möchte, wie viele Solarpanels haben wir denn im Stadtgebiet und wie viele Potentialflächen gibt es, dann setzt sich ja niemand hin und guckt alle Geoportaldaten durch und markiert oder zählt, wie viele Flächen es gibt. Denn man möchte das für 1.000 Bilder machen, pro Bild sind das ca. 100 Solarflächen, die man markieren müsste. Die KI wird mit diesen Daten trainiert, so dass sie die Solarflächen erkennen kann.“

Marple GmbH
Friedrich-Ebert-Straße 75
51429 Bergisch Gladbach
info@marple.info
www.marple.info

Daniel Lanz mit Mitarbeiterin Aylin Wolfsberger (Business Analyst) am Eingang des Rheinisch-Bergischen TechnologieZentrums (RBTZ)

Erste Erfolge: Bundesförderung und Projekte mit der ESA

Die Marple GmbH ist gerade einmal zwei Jahre alt und steckt laut Lanz noch in der Entwicklungsphase – trotzdem kann sie schon renommierte Projekte vorweisen. Für ein Forschungsprojekt bekommt Marple sogar finanzielle Unterstützung in Höhe von 107.000 Euro vom Bundesverkehrsministerium: Mit KI-Verfahren soll die Anzahl und die Art der Fahrzeuge in den Städten ermittelt werden. Dafür wird wieder auf Satellitendaten und Luftbildaufnahmen zurückgegriffen. Auch hier werden wieder Trainingsdaten für die KI erstellt, diesmal in Bezug auf Fahrzeuge generell, so dass die KI die Fahrzeuge auf großen Flächen erkennen kann. Die Städte sollen so konkrete Zahlen an die Hand bekommen, die in die zukünftige Städteplanung einfließen können. „So kann man Entscheidungen auf Basis von Fakten treffen“, erklärt Daniel Lanz das Ziel des Projektes. Anhand der hochauflösenden Satellitendaten will Marple den Städten sagen können, wie sich der Verkehr in den einzelnen Stadtteilen entwickelt, um davon ableiten zu können, wo eventuell Fahrradstraßen oder Parkflächen Sinn machen. „Wir machen das aktuell in dem Projekt für Hamburg und Bergisch Gladbach. Das Bundesverkehrsministerium ist aber schon auf uns zugekommen, dass sie das gerne für ganz Deutschland hätten“, freut sich der Gründer. Weitere Infos zm Prjekt CCEM stellt das Bundesministerium für Digitales und Verkehr zur Verfügung .

Auch ein weiteres Projekt soll ausgebaut werden: Zusammen mit der European Space Agency (ESA) und dem Zertifizierer Global Organic Textile Standard (GOTS) identifiziert Marple mit Hilfe von KI anhand von Satellitendaten Biobaumwoll-Anbauflächen in Indien. Im Bereich Fashion gibt es nur sehr wenig Regularien, an die sich die Produzenten halten müssen, erklärt Daniel Lanz – dieses Projekt soll die Zertifizierer unterstützen, die Biobaumwolle zertifizieren. „Bisher ist es so, dass Kontrollen auf den Feldern in Indien gemacht werden und die Bauern geben außerdem eine Selbstauskunft, dass sie organisch anbauen. Mit unserem Projekt können wir das jetzt auch mit Satellitendaten validieren, das stützt auch die Glaubwürdigkeit des Zertifizierers“, sagt Lanz. Erkennbar wird das, weil Baumwolle, die mit Pestiziden behandelt wird, anders wächst und eine andere Beschaffenheit hat, als organisch angebaute – das kann die KI unterscheiden. Das Projekt wird von ESA und GOTS finanziert und es ist auch bereits ein Folgeprojekt am Start.

Luftbild für CCEM – Projekt für Fahrzeugzählung

Das Start-up steckt also gerade mitten in der Bedarfsentwicklung: Wer kann den Service von Marple nutzen und was ist er wert? Die Marple GmbH finanziert sich zurzeit aus eigenen Mitteln und dem eigenen Cash-Flow: „Das nennt sich Bootstrapping. Wir haben keine Investoren und auch die Firma mit der Maßgabe gegründet, dass wir keine Investoren wollen, weil wir selber entscheiden möchten, welche Richtung wir einschlagen“, bekräftigt Daniel Lanz. Zurzeit sind die drei Gründer im Unternehmen tätig, zusätzlich drei Mitarbeitende, die in Teilzeit bei Marple arbeiten und für die Datenanalyse und -auswertung zuständig sind.

Die Energie der Marple GmbH fließt zurzeit in geförderte und Forschungsprojekte, langfristig soll sich daraus aber ein Geschäftsmodell entwickeln, das auch wirtschaftlich ist. Den Gründern ist dabei wichtig, dass ihr Service auch einen Sinn hat. Paradebeispiel dafür ist das Biobaumwoll-Monitoring: Hier werden Satellitendaten genutzt, um etwas Wichtiges zu unterstützen. Der Nutzen ist dabei nicht nur, dass wir ökologisch produzierte Kleidung tragen, die länger hält und weniger CO2 ausstößt, sondern es verändert auch die Lebensqualität der Menschen vor Ort, betont Daniel Lanz: „Es kommen mehr Bauern in den Bio-Anbau. Sie haben eine höhere Lebenserwartung, wenn sie keine Pestizide einsetzen und der Boden bleibt besser.“
Die Marple GmbH wird sich wohl in Zukunft verstärkt auf die Themenbereiche Klimamonitoring, Verkehr und auch Zertifizierung fokussieren. Auch das Thema Wasser wird immer wichtiger, da Wasser immer weniger verfügbar ist. Vor allem im Verkehrsbereich ist die Resonanz sehr positiv, sagt Lanz. Viele könnten sich aber gar nicht richtig vorstellen, wie groß die Bandbreite der zu erfassenden Dinge ist.

CoCuRA heißt das Baumwoll-Monitoring Projekt, hier ein Satellitenbild aus Tashkent (Usbekistan)  zum Vergations-Index

Lokaler Support von RBW und TZ

Im Projekt „Gewerbeflächen neu denken –Die Modernisierung und Weiterentwicklung bestehender Gewerbegebiete“ ermittelt die Marple GmbH im Auftrag der Kreise Rhein-Berg, Oberberg und Rhein-Sieg zunächst die Parkplatzsituation in ausgewählten Gewerbegebieten. Später könnten zum Beispiel auch die Analyse der Anzahl der Solardächer, der Grünflächen, der versiegelten Flächen oder der Baulücken eine Datenbasis liefern, die Aufschluss gibt, in welche Richtung sich die Gewerbegebiete über die Zeit entwickelt haben und was sich in Zukunft verändern sollte. Das Projekt soll nach Abschluss übertragbar werden.
Auch Martin Westermann, Geschäftsführer des RBTZ in Bergisch Gladbach, sieht bei Marple vor allem auch im kommunalen Bereich enormes Potential: „Der Anwendungsbereich ist riesig und vor allem interessant für die Kommunen. Erhebungen rund um Grünflächen, Klima, Hitze, Verkehr – die Möglichkeiten im kommunalen Bereich sind enorm und in der Handhabung für mich als Wirtschaftsgeograph absolut faszinierend. Ich glaube, dass wir da wirklich etwas erreichen können im Bereich Analyse für den öffentlichen Raum.“
Auch die RBW unterstützt die Entwicklung von Marple weiterhin: „Der Austausch ist sehr gut und es ist vor allem sehr hilfreich, dass die RBW für uns Kontakte herstellt. Man kann einfach hingehen und sprechen und sie machen, was sie können, um zu helfen“, sagt Daniel Lanz. Ihn freut vor allem auch die Unterstützung in den sozialen Medien: „Die RBW hat einen Post schon geteilt, bevor ich es überhaupt rüber geschickt habe. Dieser moralische Support auch mit Likes und Posts ist toll!“

Warum ist die ESA involviert?

Sie liefert die Satellitendaten für das Projekt, weil sie ihre Satelliten in die Anwendung bringen möchte, um ihre Budgets rechtfertigen zu können, erklärt Daniel Lanz die Zusammenarbeit.

Bei dem Biobaumwoll-Projekt in Indien kann Marple kostenfrei auf die Satellitenbilder der ESA zugreifen: „Die Qualität der Bilder der ESA-Satelliten sind aber geringer als die Qualität von Maxar oder Airbus, die hochauflösende Satellitendaten haben, ähnlich wie Spionagesatelliten. Allerdings ist es auch sehr teuer, wenn man diese Daten kaufen möchte“, sagt der Gründer. Je besser die Qualität der Bilder, desto teurer – ein Fakt, den der Marple-Geschäftsführer bei seiner Produktentwicklung auch immer berücksichtigen muss. „Daher nutzen wir eher Daten im ESA-Kontext, die frei verfügbar sind. Es sind aber nicht nur Bilder, sondern auch Radar– und Infrarotdaten, mit denen sich unterschiedliche Strukturen und Höhen ablesen lassen.“ Zusätzlich greift Marple auf die Daten der Geoportale zurück.

Ziele für die Zukunft: Wo geht es hin mit Marple?

Marple arbeitet verstärkt an der Produktentwicklung: Die laufenden Projekte sollen in Produkte transformiert werden, die die Marple GmbH dann verkaufen kann. „In zwei Jahren wäre es toll, wenn wir drei Produkte im Portfolio hätten, die wir anbieten können und so einen Kundenstamm aufbauen, den wir betreuen. Dann wären wir optimal aufgestellt, um nächste Ziele anzugehen.“ Lanz könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass Städte das Produkt Hitzeinselerkennung kaufen oder abonnieren können, weil sie das dauerhaft monitoren wollen. Er ist auch schon in Kontakt mit der Stadt Bergisch Gladbach. Die Kreisstadt hat gerade einen umfangreichen Hitzeaktionsplan ausgeschrieben und erfasst dort viele Daten. Marple könnte die Basis liefern: „Wir können da sogar kleine Mikrohitzeinseln darstellen, die sich die Städteplaner auf einer Karte angucken können und gleichzeitig Kontextinfo bekommen, was für Gebäude dort stehen oder wie man die Fläche umgestalten könnte. Das haben wir gerade als Beta-Version freigegeben, die sich Städte online angucken können“, so Lanz.
Es gibt eben immer neue Dinge zu entdecken auf der Erde, das macht den Job so spannend, sagt Daniel Lanz. Und wenn’s für andere schwierig wird, läuft Marple gerade mal warm, lacht der Gründer: „Bei größeren Herausforderungen denke ich immer ‚Oh, interessant!‘ und dann geht’s los!“ Marple macht damit ihrer Namensgeberin alle Ehre: Der Firmenname ist inspiriert von der Hobbydetektivin Miss Marple, die mit ihrem Spürsinn der Polizei immer einen Schritt voraus ist. Genauso versucht die Marple GmbH Dinge im Bereich der Erdbeobachtung zu erkennen, die zwar da sind, aber nicht offensichtlich. Hier ist Nachdenken gefragt, man muss clever sein, analysieren und Verbindungen herstellen, um zur Lösung zu kommen. Und das haben beide perfekt drauf: die Marple GmbH und Miss Marple.

Autorin: Nicole Schmitz
Fotos: Marple GmbH

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