Rollen mit grünem Fußabdruck von TENTE

Schluss mit fossilen Rohstoffen unterm Schreibtischstuhl. Die Firma TENTE stellt als erstes Unternehmen der Branche Rollen aus pflanzlichen Materialien her: 98 Prozent sind aus Rizinusöl gemacht.

Wunderbaum liefert Rohstoff

Das Öl aus dem Samen des Wunderbaums (ricinus communis) hat bislang eher ein mieses Image. Es riecht schlecht, es schmeckt schlecht, und es wirkt extrem abführend. Doch aus Rizinusöl lässt sich auch Kunststoff gewinnen, und das macht sich die TENTE-Gruppe nun zu nutzen, um als erster der Branche mit ihren Rollen einen grünen Fußabdruck zu hinterlassen. „Anika evo“ heißt die erste Rolle, die aus pflanzlichen, und damit nachwachsenden, Materialien hergestellt wird. Die Verwendung der Rizinusbohne hilft, den CO2-Fußabdruck um 46 Prozent zu reduzieren.

Die erste Idee dazu entstand bereits 2017. Den Anstoß gaben Fragen nach einem nachhaltigen Produkt, die zunächst von skandinavischen Kunden angefragt wurden. Das TENTE-Expertenteam für die Möbelindustrie, die Tochtergesellschaft in Frankreich und der Zulieferer Arkema für Kunststoffgranulate machten sich, mit Unterstützung einer Vielzahl von Experten, daran, Lösungen zu finden. 2020 fiel die Entscheidung für die Rizinuspflanze.

Angebaut und geerntet werden die Rizinusbohnen für die Rollen in Indien. Der Zulieferer Arkema wandelt das Öl in Kunststoffgranulat um. Dieses Granulat ist der Rohstoff, der in den Produktionsmaschinen bei großer Hitze geschmolzen und in die gewünschte Form gegossen wird.

Der Wunderbaum ist ein ausdauerndes Wolfsmilchgewächs aus den Tropen und Subtropen. Seinen Namen hat er aufgrund seines schnellen Wachstums erhalten. Innerhalb weniger Jahre kann er bis zu zwölf Meter hoch werden. In Europa nördlich der Alpen gedeiht er nur einjährig und erreicht eine Höhe von zwei Metern. Hier dient er rein dekorativen Zwecken in Gärten oder wächst im Mittelmeerraum verwildert an Wegrändern.

Der Wunderbaum wird seit Jahrtausenden kultiviert. Sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet ist Indien oder Äthiopien. In seinen stacheligen Kapselfrüchten befinden sich drei ölhaltige, rot-braun marmorierte Samen, die das Rizinusöl enthalten. Auf Plantagen macht der Wunderbaum seinem Namen alle Ehre: Schon nach wenigen Monaten wird die erste Ernte erzielt. Hauptexporteure für Rizinusöl sind Indien, Brasilien und China. 

Samen des Wunderbaums, Foto: pixabay

Die Samen des Wunderbaums bestehen zu 40 bis 50 Prozent aus Rizinusöl. Kaltgepresstes Rizinusöl ist farblos bis leicht gelblich, sehr dickflüssig und dank seiner außerordentlich hohen Dichte fast so schwer wie Wasser. Es besteht zu mindestens 85 Prozent aus Ricinolsäure, die für die stark abführende Wirkung des Rizinusöls verantwortlich ist. Die Samen enthalten auch das Eiweiß Rizin, das nach Botulismus- und Tetanustoxin die giftigste biogene Substanz ist. Da Rizin sich nicht in Fett löst, bleibt das Gift im Pressrückstand; im Rizinusöl ist es nicht zu finden.

TENTE beschäftigt in 30 Tochterunternehmen rund 1500 Mitarbeiter. Die TENTE-Rollen GmbH in Wermelskirchen ist mit rund 600 Mitarbeitern der größte Standort. Die TENTE International GmbH ist die Holding-Gesellschaft der Gruppe und hat ihren Standort in Köln. Die Geschichte des Unternehmens begann 1923 im Wermelskirchener Ortsteil Tente mit dem Vertrieb von Rollen für Klaviere und Schrankschiebetüren. Heute ist das Unternehmen auf allen Erdteilen vertreten. TENTE bedient insbesondere vier Marktsegmente:

 
  • TENTE Institutional bietet verschiedene Rollen, unter anderem für Möbel, Stühle, Flugzeugtrolleys und Einkaufswagen an. Die Designrollen wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet.
  • TENTE Medical ist Weltmarktführer für zentralfeststellbare Bettenrollen im Krankenhaus- und Pflegebereich. 
  • TENTE Industrial bietet vor allem Transportgeräterollen, hitzebeständige Rollen und geräuschreduzierende Rollen für den Einsatz in Staub, Feuchtigkeit, bei hohen Temperaturen und auf unebenen Böden.
  • TENTE Heavy Duty produziert spezielle Schwerlastrollen, zentralfeststellbare Rollen und Hubwagenräder für einen leichten und sicheren Transport tonnenschwerer Güter.

Bei rund 220 Millionen Euro Umsatz weist TENTE über 17 Millionen Euro Nettoinvestitionen aus. Das Unternehmen bildet aus und legt hohen Wert auf die Förderung und Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter.

TENTE Rollen GmbH
Herrlinghausen 71 – Campus
42929 Wermelskirchen
Tel. +49 2916 99-0
www.tente.com

 Wunderbaum oder auch ricinus communis, Foto: pixabay 

Rollen bewegen die Welt

Die pflanzliche Rolle ist ein weiterer Innovationsschritt bei TENTE, wo seit beinahe 100 Jahren Rad und Rolle immer wieder neu erfunden werden. Das Herstellen von Rollen mag zunächst unspektakulär klingen, aber es reicht, sich kurz eine Welt ohne diese vorzustellen: Rollen sind in Produktion und Logistik, unter Krankenhausbetten und medizinischem Gerät, unter Möbeln und Koffern, kurz: unter allem, was bewegt werden soll. Zur Einordnung: Allein im deutschen Markt sind etwa 20 Millionen Einkaufswagen im Einsatz. Jeder einzelne legt in seiner etwa zehnjährigen Lebensdauer tausende an Kilometern zurück.

TENTE bewegt also sozusagen die Welt – nun auch mit Unterstützung des Wunderbaums. „Diese Rolle ist so viel mehr als eine einfache Rolle“, sagt Gregory Durin, Key Account Manager bei TENTE Frankreich. „Die Anika evo bedeutet eine ganz neue Ausrichtung und hilft uns und unseren Kunden einen weiteren Schritt in die richtige Richtung zu gehen.“

Im Einsatz

Rollen und Räder von TENTE sind vielfältig im Einsatz, hier bereits mit Anika evo. Quelle: www.tektura.studio.
Unten: der TENTE Campus in Wermelskirchen

Mit Innovationen Ressourcen sparen

Die „richtige Richtung“ heißt bei den TENTE-Rollen schon lange: Ressourcen sparen und kluge Lösungen anbieten, und dabei sind nicht nur die Rohstoffe gemeint, sondern vor allem auch der Mensch, der – was auch immer – auf Rollen bewegen will. Zwei Beispiele:
Erstens: Ein Krankenhausbett mit Patient kann rund eine halbe Tonne wiegen. Dieses in Zimmern, Fluren oder Aufzügen zu manövrieren, bedeutet für das Pflegepersonal hohen Kraftaufwand, und nicht selten eilt es dabei auch noch. TENTE kombinierte daher die Rollen für die Betten mit einem Elektroantrieb, der den Patiententransport auch in engen Räumen einfach macht. Auch das Feststellen der Rollen kann schon längst elektrisch per Knopfdruck getätigt werden.
Zweitens: In einem hochmodernen Lager werden jährlich Zehntausende Tonnen Waren umgesetzt – ohne Räder undenkbar. TENTE konzipierte gemeinsam mit einem Kunden ein neues Konzept zum Kommissionieren, das ebenfalls  auf einem  elektronischen Antriebssystem per Knopfdruck beruht. Ergebnis: Die Logistikmitarbeiter des Kunden legen seither 80 Prozent weniger Wege bei ihrer Arbeit zurück. Durch den verringerten Einsatz von Flurförderzeugen spart das Unternehmen zudem Kosten für Reparaturen, Wartung und Ausbildung. Aufgrund der hocheffizienten Akkus des Antriebssystems reduzierte sich zudem der Stromverbrauch drastisch.

Zwei Prozent  normales Granulat, 98 Porzent  rein pflanzliche Rohstoffe.

Völlig identisch zur fossilen Schwester – außer dem grünen Punkt

Es gibt vieles zu bedenken bei der Produktion von Rädern und Rollen und ihrer Einbindung in Systemlösungen. Es geht um Tragfähigkeit und Statik, um Gewicht, Größe und Geräusch, um Lauffähigkeit und Lenkbarkeit, Haltbarkeit und Hygiene, Hitzebeständigkeit und elektrische Leitfähigkeit und vieles mehr. Nicht selten tragen Rollen Verantwortung für Gesundheit oder gar Leben – und je nach Anwendung sollen sie auch optisch etwas hermachen.

Bei der Entwicklung der Anika-evo-Rolle war die Herausforderung also nicht nur, sie aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen, sondern sie aus nachwachsenden Rohstoffen bei gleichzeitiger Beibehaltung aller anderen Eigenschaften herzustellen. Dazu gehören zum Beispiel die Tragfähigkeit und der Außendurchmesser, aber auch das Design. Damit sich die Biomaterialien stabil in die richtige Form spritzen lassen, wird ein Zwei-Prozent-Zusatz des normalen Granulats in Kauf genommen. Es bleiben 98 Prozent rein pflanzliche Rohstoffe.

Da sich die aus Rizinusöl hergestellte Anika-Rolle in nichts von ihrer fossilen Schwester unterscheiden, kann sie auf Kundenwunsch mit einem grünen Punkt versehen werden – das einzige sicht- und spürbare Zeichen dafür, dass der Stuhl auf pflanzlichen „Füßen“ steht. Die „Hidden Innovation“ eines Hidden Champions.

Fotos (sofern nicht anders genannt): TENTE Rollen GmbH und www.tektura.studio
Autorin: Karin Grunewald 

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