Leander Becker, 27, sitzt vor zwei Monitoren. Er ist selbstständiger Softwareentwickler, Gründer der RC RoomControl GmbH und deren Geschäftsführer. Das kommt ihm immer noch etwas unwirklich vor, denn bis vor kurzem war er im Grunde nur ein IT-Tüftler, ein Autodidakt. Dann kam der Gamechanger: Die Software, die er für den digitalen Schulunterricht in Computerräumen entwickelt hatte, kam in einer Testphase bei drei Kölner Berufskollegs so gut an, dass Leander Becker im Frühjahr 2024 den Mut zur Firmengründung fand. Auch Dank des Gründungsstipendiums NRW.
RC RoomControl GmbH
Burgstraße 3
51515 Kürten
Tel. +49 2268 90036
info@room-control.de
www.room-control.de

Das Gründungsstipendium NRW ist ein Förderprogramm des Landes NRW. „Ich habe es durch Google entdeckt“, erzählt Leander Becker. Das Bewerbungsformular gab es zum Downloaden, fürs Ausfüllen drei Bedingungen: Erstens soll die Geschäftsidee innovativ sein, zweitens die Gründung maximal ein Jahr vor dem Antrag erfolgt sein oder maximal ein Jahr danach. Drittens sind keine oder nur geringe Einkünfte erlaubt, obwohl die Geschäftsidee im Hauptberuf verfolgt wird.
Stipendiaten erhalten ein Jahr lang 1200 Euro netto pro Monat sowie Coachings durch Experten der Wirtschaftsförderung vor Ort. Sein „Sparringspartner“ war die RBW, konkret: Slawomir Swaczyna. Dort hatte Leander Becker sein Erstgespräch, dort reichte er im Januar 2024 sein Ideenpapier zur Firmengründung ein.
Was macht RoomControl so nützlich für den Unterricht? „Die Lehrkräfte schätzen, dass die Software so schnell, leicht und intuitiv zu bedienen ist. Nicht so viele Details,“ erzählt der 27-Jährige. „Ich höre immer: Ah, das ist ja alles selbsterklärend.“ Natürlich gebe es eine Anleitung … „Aber die wenigsten Menschen schauen da ja rein.“
Einige Besonderheiten von RoomControl fallen schnell auf:
- Es gibt keine Untermenüs. Es gilt das Motto „1 Blick, 1 Klick“: Alles, was mit dem Programm möglich ist, ist auf wenigen Buttons ablesbar und mit einem Blick zu erfassen. 1 Klick genügt – schon wird der Befehl ausgeführt: Lehrer-Desktop teilen, Schüler-PCs sperren, Internet sperren, Dokumente verteilen, Dokumente einsammeln …
- Es gibt einen digitalen Prüfungsmodus.
- Alle Schüler-Monitore sind im Mini-Format entsprechend der Sitzordnung auf dem Lehrer-Bildschirm abgebildet.
- Der Lehrer sieht auf seinem Bildschirm 1:1 in Echtzeit, was auf den Schüler-Monitoren gerade los ist – und kann gegebenenfalls eingreifen. Heimliches Surfen im Internet fliegt sofort auf! „Das finden manche Schüler natürlich nicht so gut“, sagt grinsend der Entwickler dieses Tools.
- Der Sitzplan ist fest durch die physische Anordnung der PCs im Raum vorgegeben. Die Schüler melden sich mit ihren Zugangsdaten an, wodurch die Software weiß, wer wo sitzt. PC-Inseln und ungewöhnliche Grundrisse sind leicht abbildbar.
- Mit der Maus lassen sich ruckzuck Auswahlbereiche für bestimmte Aufgaben markieren: nur diese zwei Computer sperren, nur diese fünf mit neuen Dateien versorgen … Aufwändiges Erstellen von Gruppen entfällt.
- Verteilte Dateien liegen immer am selben Ort, zeitaufwändiges Suchen der Pfade entfällt.
- Verteilte Dateien werden beim Runterfahren des Computers automatisch gelöscht, es sei denn, sie werden extra abgespeichert. So entfällt das lästige Löschen bzw. Vermüllen der Festplatte. „Das Programm ist darauf angelegt, schnell und für den Moment da zu sein – für diese eine Schulstunde“, erklärt Leander Becker.

Dass der 27-jährige IT-Fachmann eine Firma gegründet hat, die ausgerechnet Lehrerinnen und Lehrern das Leben erleichtert, war nicht abzusehen. Er habe in der Schule einen „schwierigen Start“ gehabt, formuliert er vorsichtig. Schon am ersten Schultag eckte er an, weil er zwar mit Schultüte, aber ohne Ranzen erschienen war: Den hatte er für unnötig befunden und partout zu Hause lassen wollen. Ältere Kinder hätten ihm viel Schlechtes über die Schule erzählt und sie ihm bereits vermiest, bevor er sie kennengelernt habe, erzählt Leander Becker.
Was den Kürtener Jungen lockte, war der PC. Durch seinen Vater, der Videofilme dreht und an einem privaten Kölner Berufskolleg Videoschnitt unterrichtet, kam er früh mit Computertechnik in Berührung. Er habe seine PC-Karriere mit dem Kopieren von Hörkassetten begonnen, erinnert sich Leander Becker. Später habe er Videospiele manipuliert, „damit die Technik das tut, was man will.“ Mit 14 Jahren programmierte er den Raspberry Pi so, dass dieser auf Sprachbefehle hin das Deckenlicht steuerte. Auch ein Tic-Tac-Toe-Spiel programmierte der junge Tüftler.
„Mein Vater hatte irgendwann die Idee, eine Software zu installieren, um meine PC-Zeit zu begrenzen“, erinnert sich der 27-Jährige schmunzelnd. „Doch ich habe die Software verändert und so meinen Vater ausgetrickst.“ Dadurch keimte ein Gedanke: Wie wäre es, eine Begrenzungssoftware zu programmieren, die sich nicht austricksen lässt? Gesagt, getan. Das Ergebnis hätten „gnädigerweise“ ein paar Freunde der Familie gekauft, verrät Leander Becker. „Die Software hat technisch funktioniert, war aus heutiger Sicht aber unausgereift. Ich erkannte: Nur ein Produkt zu haben, heißt nicht, dass es gekauft wird. Da habe ich mich verabschiedet von der Idee, mich mit IT selbstständig zu machen.“ (Was, wie wir wissen, nicht das Ende der Geschichte ist …)
Praxiswissen durch IT-Schulsupport
Der Computer sollte Hobby bleiben, der Beruf ins Journalistische oder Soziale gehen, war Leander Beckers Plan, weshalb er Sozialwissenschaften in Köln studierte. Parallel arbeitete er bei Net-Cologne als Werkstudent und tat dort, was er liebte: Er war als Systemadministrator im „Schulsupport“ unterwegs. Da Net-Cologne vertraglich für alle städtischen Schulen Kölns IT-Dienstleister ist, bedeutete dies: Wenn in Schulen IT-Probleme auftraten, kam Leander Becker als Helfer vor Ort. „Mit der Zeit habe ich festgestellt, dass die verfügbaren Programme den Lehrern häufig zu kompliziert waren, dass den Lehrern Tools fehlten, sie unzufrieden waren.“
Diese Erkenntnis war ein Grundstein für RoomControl. Der andere Grundstein war ein halbernster Wunsch des Vaters (inzwischen stiller Teilhaber der GmbH) an den Sohn: Programmiere mir doch mal eine Software, mit der ich im Videoschnitt-Unterricht meinen Bildschirm teilen kann, sodass er auf die Schüler-PCs übertragen wird. Bis dato gab’s an dieser Schule nur Beamer-Projektionen.
Ob Leander Becker ein Gründungsstipendium erhalten sollte, darüber beriet die regionale Jury. In ihr sitzen außer der RBW weitere Vertreter von Institutionen der Wirtschaft aus Oberberg, Rhein-Erft und Leverkusen. Jeweils die Experten aus der Gründungsberatung. Die Jury tagt einmal im Monat. Sie guckt sich zunächst die eingereichten Ideenpapiere an. Anschließend lädt sie interessante Gründer und Gründerinnen zum Pitch in die nächste Jurysitzung ein – alles online.
Leander Becker war angefixt. Schon 2019 schrieb er ein Programm, das in Computerräumen das Übertragen des Lehrer-Bildschirms auf Schüler-Monitore ermöglichte. „Dann kamen immer neue Funktionen dazu.“
Im zweiten Schritt schuf der Kürtener ein Tool, das Schülerbildschirme sperrt. „Damit die Schüler nicht abgelenkt sind und im Netz surfen oder YouTube-Videos gucken.“
Im dritten Schritt ermöglichte Leander Becker es seinem Vater, Videoschnittmaterial-Dateien von seinem PC mit nur einem Klick an alle Schüler-PCs zu verteilen – anstatt die Dateien weiterhin von einer USB-Festplatte auf jeden Computer einzeln zu überspielen. „Das kostete immer viel Zeit.“

Leander Becker fragte sich: Ist das für meinen Vater entwickelte Programm ein Produkt, das sich ausbauen und vermarkten lässt? Die Antwort ja gab die Net-Cologne-Arbeit in den Schulen. Leander Becker erkannte zwar enttäuscht, dass es teils ähnliche Anwendungen gab, doch zugleich erkannte er seine Chance: Nicht jede Schule verfügte über nützliche Softwareprogramme, und die bestehenden Programme waren komplex und schwierig anzuwenden, die Lehrer daher vielfach genervt. „Da lohnt es sich weiterzumachen“, dachte er sich. „Denn was die Lehrer sich wünschen, ist umsetzbar, kann ich machen.“
„Jeder kriegt fünf Minuten Zeit für die Präsentation, dann folgen fünf Minuten Fragenhagel“, erläutert Slawomir Swaczyna. Leander Becker erinnert sich gut an den Schicksalstag im Februar 2024: „Ich dachte, ich pitche da – und dann Tschüss. Ich hatte so etwas noch nie gemacht.“ Doch noch am selben Tag bekam er grünes Licht: Die Juroren empfahlen dem Land NRW ihn zu fördern. „In RoomControl steckt viel Entwicklungsarbeit drin. Leander Becker hat alles alleine gemacht. Er hatte einen langen Atem“, zählt Slawomir Swaczyna auf, was die Jury abgesehen von der innovativen Gründeridee faszinierte.
Im März 2024 sandte der 27-Jährige den Antrag fürs Gründungsstipendium ans Land NRW ab – und erhielt die Zusage.
So entwickelte Leander Becker RoomControl zu einem alltagstauglichen, lebens- und schulnahen, leicht anwendbaren Softwareprogramm – durch Beobachtungen vor Ort, durch den Dialog mit dem Kollegium der Berufsakademie für Medienberufe sowie durch Gespräche und Rückmeldungen anderer Lehrenden. Das blieb nicht verborgen. So kam es schließlich, nach etlichem Hin und Her, im April 2024 zu einer mehrmonatigen Testphase von RoomControl an drei Kölner Berufskollegs. „Das Ergebnis danach lautete: Wir würden das gerne fortführen“, freut sich der 27-Jährige.
Dank Mund-zu-Mund-Propaganda arbeiten seit 2025 nun sechs Kölner Berufskollegs mit RoomControl. Leander Beckers Ziel ist, weitere Schulen, auch im Umland, zu gewinnen. Das Programm wird als einjährige Lizenz vergeben, kann in jedes vorhandene Schulnetzwerk integriert werden und läuft auf schuleigenen Desktop-PCs und Laptops in Computerräumen. Demnächst auch auf Tablets? „Mal gucken, was die Zukunft bringt“, sagt der Firmenchef. Ersetzen könnten Tablets herkömmliche Computerräume nicht, da Berufskollegs häufig aufwändige Spezialsoftware verwendeten, die auf Tablets nicht verfügbar sei.
Ständiges Schul-Feedback für Updates
Egal auf welchem Endgerät, eins ist Leander Becker ganz wichtig: der direkte Draht der Lehrkräfte zu ihm. „Andere Anwender machen Dinge, an die ich nie gedacht habe“, sagt er pragmatisch. „Für sie ist es toll, mit dem Entwickler zu sprechen. Und ich verliere nicht den Anschluss!“ Das macht seine Updates schnell und gut.
Kürzlich ist Leander Becker nach Köln umgezogen, doch Firmensitz bleibt weiterhin Kürten. „Ich habe eine Achterbahn der Gefühle hinter mir“, blickt der Jungunternehmer zurück. „Ich wollte so oft aufhören, an so vielen Stellen. Mein Glück war, dass ich durch die NetCologne-Tätigkeit den Schulen bekannt war. Sonst: Never ever, niemals wäre ich da reingekommen.“ Und ohne die RBW und das Gründungsstipendium hätte er den Sprung in die IT-Selbstständigkeit womöglich nie gewagt. „Das Geld hat mir geholfen, mich nochmal mit mir und meinem Produkt zu beschäftigen. Ohne das Stipendium hätte ich aufgegeben – ziemlich sicher. Es kam zur richtigen Zeit.“

Während des einjährigen Stipendiums berät Slawomir Swaczyna seine Stipendiaten, derzeit etwa ein halbes Dutzend. „Verpflichtend sind 3 Beratungstermine, in der Realität liege ich meist bei 30.“ So lernt er auch die Gründerpersönlichkeiten gut kennen. „Sehr höflich, sehr zuverlässig“ sei Leander Becker.
Stolz ist er auch auf die Erfolge seines Schützlings: „Er hat einen Leidensweg hinter sich. Er hat Klinken geputzt, er hängt an vielen, vielen Fäden – und Schulen sind nicht die einfachsten Kunden …“ Slawomir Swaczyna strahlt: „Toll, dass er es da geschafft hat, neue Kunden zu akquirieren. Besser geht’s nicht!“
Autorin: Ute Glaser
Fotos: Ute Glaser, Leander Becker