carpe diem: Seniorenheim goes digital

Der private Betreiber für Senioreneinrichtungen carpe diem in Wermelskirchen hat eine digitale Teilhabe für seine Gäste und deren Angehörige zwischen den Besuchszeiten geschaffen und auf dieser Basis ein Tool für die Essensbestellung im Haus erarbeitet. Das Ergebnis: Nicht nur mehr Transparenz für Bewohner und Angehörige, sondern auch mehr Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit für das Unternehmen selbst.

Nutze den Tag!

„Nutze den Tag” – das ist der Grundgedanke in den Senioren-Parks carpe diem, der an die Maxime “so viel Selbstständigkeit wie möglich bei so viel Betreuung und Pflege wie nötig” für seine Gäste ausgerichtet ist. Gemeinschaftliches Erleben und Kommunikation stehen hier im Vordergrund, fürsorglich begleitet von Mitarbeitern mit all ihren Kompetenzen. Die Gäste des Wohnheims leben innerhalb der Einrichtung jeweils in kleinen Wohngruppen, die eher familiär ausgerichtet sind. Doch die Familien selbst besuchen ihre Angehörigen vielleicht einmal in der Woche, von der restlichen Zeit können sie sich selbst kein Bild machen. Dieser Umstand brachte carpe diem auf eine Idee.

Täglich nutzen wir die sozialen Netzwerke und teilen hier Bilder vom Urlaub, leckerem Essen und schönen Momenten mit unseren Freunden. Und wie sieht‘s bei Oma und Opa im Pflegeheim aus? Wie viele schöne Momente ihrer dritten Lebenshälfte verpassen wir außerhalb dieser Zeit? Um die Angehörigen, ehemaligen Nachbarn und ‚alten‘ Freunde ergänzend zu ihrem Besuch auf dem Laufenden zu halten, wollte carpe diem das Leben ihrer Bewohner transparenter gestalten. Gemeinsam mit dem Start-up myo aus Berlin implementierten sie eine Social Media-App, die die Highlights der Bewohner teilt und zur Kommunikation anregt. Seit 2019 arbeitet carpe diem mit dem Start-up zusammen, das sich selbst zur Aufgabe gemacht hat, genau die von carpe diem gewünschte Transparenz in Pflegeheime zu bringen. Mit der App ist es nun möglich, in Echtzeit mehr Anteil am täglichen Leben der lieben Verwandten zu nehmen, auch – und vor allem dann – wenn sich Familie und Freunde an einem anderen Wohnort befinden. Genau wie in den bekannten sozialen Medien werden Geschehnisse und besondere Ereignisse des Alltags der Senioren durch das Pflegepersonal fotografisch in einer Art persönlichem digitalen Tagebuch festgehalten. Auf diese Weise werden persönliche Momente mit den Angehörigen geteilt: Ein schöner Ausflug wird dokumentiert, ein besonderes Erlebnis gepostet oder einfach ein kleiner Gruß per Bild, Sprachnachricht oder Video an die Familie geschickt. Vor allem mit authentischen Schnappschüssen werden die Angehörigen mehr in den Alltag ihrer Liebsten eingebunden.

Vor 24 Jahren wurde 1998 das erste carpe diem-Haus in Niederselters bei Limburg eröffnet. Heute hat die Gesellschaft ihren Sitz in Wermelskirchen und betreibt 33 Einrichtungen deutschlandweit. Derzeit verfügt das Unternehmen insgesamt über etwa 2.400 stationäre Pflegeplätze, rund 1.000 betreute Wohnungen, Tagespflegeeinrichtungen mit ca. 500 Plätzen, 2.400 ambulante Kunden sowie ambulante Wohngemeinschaften, mobile Mahlzeiten- und Wäschedienste, eigene gastronomische Einrichtungen als Café-Restaurants mit den dazugehörigen Großküchen-, Wäscherei- und Reinigungsbetrieben. Die carpe diem Gesellschaften beschäftigen rund 3.500 Mitarbeiter, darunter über 200 Auszubildende, die sich allesamt für 6.100 Kunden einbringen. In Wermelskirchen selbst arbeiten bis zu 200 Mitarbeiter am Wohl ihrer Gäste.

carpe diem Ges. für den Betrieb von Sozialeinrichtungen mbH
Adolf-Flöring-Straße 22
42929 Wermelskirchen
Tel. +49 2196 721440
mail@senioren-park.de
www.senioren-park.de

carpe diem am Standort Wermelskirchen

Was macht myo?

myo, benannt nach der Vergiss mein nicht-Pflanze, wurde 2017 von Jasper Böckel und Felix Kuna gegründet. Seitdem bringt die gleichnamige App Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegepersonal in bereits 300 Einrichtungen näher zusammen. Angehörige können stärker am Leben ihrer Liebsten teilhaben, der herausfordernde Pflegealltag wird transparenter. Durch weitere Funktionen werden außerdem interne Prozesse erstmals digitalisiert und somit langfristig kosteneffizient optimiert.

Die Installation und Nutzung der Plattform ist sehr einfach und intuitiv gehalten – in wenigen Schritten sind alle Beteiligten startklar. Die bevollmächtigten Familienvertreter erhalten per E-Mail einen Downloadlink der kostenlosen App. Nach der Installation wird automatisch eine Verknüpfung mit dem Pflegeangehörigen selbst hergestellt – dann kann es auch schon losgehen. Ob Angehörige, Nachbarn oder Freunde, wer in das digitale Familienalbum eingeladen wird, bleibt den Teilnehmern selbst überlassen, denn die Familien verwalten sich selbst. Die Inhalte der Senioren werden von den zuständigen Mitarbeitern in Absprache mit den Bewohnern in das digitale Tagebuch der Familiengruppe eingearbeitet und veröffentlicht. Allerdings ist die Plattform nicht als Dauerchat zu verstehen, sondern vielmehr als Dokumentation der Highlights im Seniorenalltag. Dabei können die Beiträge von allen Personen der Familien-Community kommentiert werden. Dies wiederum stärkt den familiären und freundschaftlichen Zusammenhalt, sowie den Informationsfluss untereinander. Dabei geht es nicht darum, sich gegenseitig zuzuspammen, sondern um spezielle Erlebnisse zu teilen.

Familien können mit rund drei Beiträgen pro Woche aus dem Seniorenheim rechnen. „Wir haben festgestellt, dass sich das gemeinsame Erlebnis als Momentaufnahme nur auf die Besuchszeit eines Tages konzentriert. Mit myo können wir mehr Verbindung schaffen und auch unsere Angebote die Woche über dokumentieren“, erklärt der IT-Leiter von carpe diem, Marc Urban. Meist kommt das Feedback der Angehörigen im selben Moment, worauf die Bewohner mithilfe der Pflegenden reagieren können. Sehr zur Freude von Senioren und Angehörigen zugleich. Ein schöner Nebeneffekt: Auf diese Weise können auch die Leistungen der Mitarbeiter von außen gesehen werden. Der Bewohner antwortet entweder selbst oder assistiert durch die ergotherapeutische Kraft, die für seine Beschäftigung zuständig ist. Beiträge und Korrespondenz sind natürlich nicht öffentlich, sondern nur persönlich für den einzelnen Gast, dessen Familie und die eingeladenen Freunde untereinander. Selbstverständlich sind die Daten durch die DSGVO-zertifizierte App geschützt und werden auf Servern in Deutschland gespeichert, um eine größtmögliche Sicherheit und den Datenschutz zu gewährleisten.

Analog oder digital

Wie die Essensbestellung im carpe diem neu gedacht werden musste

Neu: Transparenz auch bei den Essenswünschen der Bewohner

Besonders die Zeit der Besuchseinschränkungen wegen Corona hatte großen Einfluss auf die App-Nutzung. Die Infektionszahlen schnellten in die Höhe und so konnten die Familien wenigstens über diese Kommunikationsschiene mit ihren Angehörigen im regelmäßigen Kontakt stehen. Und weil dies so fabelhaft funktionierte und so viele Menschen glücklich machte, fragte sich das Unternehmen, ob nicht auch andere Routinen innerhalb der Einrichtung, wie die Essenbestellung, transparenter gemacht werden können. Gemeinsam mit dem Start-up überlegte carpe diem, wie die vorhandene App in diesem Bereich erweitert werden könnte. Und dafür musste erst einmal der Status Quo der Essenbestellung erörtert und dokumentiert werden.

Im stationären Pflegebereich haben die Senioren täglich die Möglichkeit, sich ihre Mahlzeiten für die kommende Woche zusammenzustellen. Zum Mittag beispielsweise können sie aus zwei Menüs und Zusatzkomponenten wählen. Die Pflegekräfte fragten, bewaffnet mit Menüplan und Excel-Tabellen, die Wünsche der Bewohner ab und trugen die Ergebnisse in Sheets ein. Eine Tabelle mit den Stammdaten der Gäste lag aus der Verwaltung vor, eine weitere hatte die Küche selbst erstellen müssen, damit die Anzahl der Menüs mit den Gästen verknüpft werden konnte. Die Küchenliste wiederum enthielt nur die Info ‚Menü 1 oder 2‘ und so musste ein Menüplan hinzugezogen werden, der die Speise beschrieb. Nach der Abfrage wurden die Wünsche in die ausgedruckte Küchen-Liste notiert und zur Küche gebracht. Den immensen Aufwand kann man sich vorstellen: Wenn ein Bewohner nicht direkt angetroffen wurde oder kurzfristig im Krankenhaus war musste mehr Essen als nötig produziert werden, damit jederzeit genug für alle vorhanden war. „Unzählige Excel-Formeln, komplexe Handhabungen und unflexible Verwaltungsmöglichkeiten führten zur allgemeinen Unzufriedenheit“, so Marc Urban. Bei der gemeinsamen Erarbeitung des Ist-Zustandes tauchten auch Fragen zum wirtschaftlichen Aspekt auf: Durch das fehlende Controlling waren teure Fehlproduktionen in der Küche die Folge.

Marc Urban, Leitung IT bei carpe diem

myo erarbeitete einen Lösungsvorschlag, der nach und nach zu einem Pilotprojekt avancierte. „Der Prozess war sehr interessant, sowohl für das Start-up, aber auch für uns.“ Denn manche Dinge ließen sich in der Praxis nicht digitalisieren. „Wir haben gelernt, die Prozesse neu zu denken.“ Der Vorteil für das Unternehmen selbst beginnt bereits bei der Stammdatenpflege, die jetzt nur noch von der Verwaltung vorgenommen wird. Davon profitiert die Küche, die nun keine eigenen Listen mehr erstellen muss. Das Essen wird erfasst und die App erstellt eine detaillierte Produktionsliste, wie viele Personen sich für Menü 1 oder 2 entschieden haben. Anschließend erstellt sie eine Packliste. Das Essen wird vom Personal mit kleinen mobilen Warmhaltewagen in die Etagen-Küchen gefahren, wo es portioniert und angerichtet wird. Hier gab es einen Punkt, an dem das vorläufige Ende der Digitalisierung erreicht war. Denn mit behandschuhten Händen die App zu bedienen, war aufgrund von Hygiene, Technik und Prozessablauf unpraktisch.

Nun kann der Mitarbeiter auf einen Ausdruck am Warmhaltewagen schauen und erfährt, von wem welches Essen bestellt wurde und hat die Hände frei, um es zu verteilen. Marc Urban: „Wir haben eine Kombination aus digitaler Flexibilität und analoger Stabilität gefunden. Da hat selbst das Start-up gemerkt, dass Analoges seine Berechtigung hat.“

Einfache Handhabung, mehr Wirtschaftlichkeit, mehr Individualität

Ein weiterer Vorteil für die Gäste: die individuelle Auswahl der Brot- Wurst- und Käsesorten beim Frühstück sowie beim Abendessen. Konnten sich die Bewohner bisher nur für “Brot” im Allgemeinen entscheiden, kann nun eingetragen werden, ob Grau-, Vollkorn- oder Weißbrot gewünscht wird. Die App assistiert den durchgängigen Prozess der Essensbestellung. Die Pflegekraft im Wohnbereich öffnet die App, erhält die Übersicht “ihrer” Bewohner und erkennt die Wünsche der Einzelnen sofort. Zur Bestellung erinnert der App-Reminder, welche Bestellung noch offen ist. Während ‚früher‘ die Listen zusammengesucht, nachgehalten und sukzessive zur Küche gebracht werden mussten, können die Mitarbeiter nun auf ihr Handy schauen und die Bewohner bereits auf dem Flur befragen. Jetzt können die bestellbaren Produkte und Menüs von der Küchenleitung digital geplant werden. „Durch die intensivere Einbindung unserer Gäste in den Prozess steigt die Kundenzufriedenheit und wir können exakt nach Bedarf produzieren. Das bedeutet: Weniger Essensverschwendung und detailliertes Controlling. Im nächsten Schritt wollen wir die Angehörigen in die Essensbestellungen einbeziehen. Daran arbeiten wir gerade, um den Transparenzgedanken hier bei uns im Haus weiter fortzuführen.“

Autroin: Birgit Franke
Fotos: carpe diem

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