Anders Arbeiten

13.09.2019
Anders Arbeiten

Werbung und Marketing in Zeiten von Homeoffice, Industrie 4.0 und weltweiter Vernetzung

Frage: „Brauchen wir ein gemeinsames Büro, um erfolgreich zu sein?“ Antwort: „Nein!“ Diesen inneren Dialog führte Florian Ibe bereits ein Jahr nachdem seine Agentur pictibe mit drei Mitarbeitern in Overath mit festem Büro sesshaft geworden war. Seit 2010 hatte Ibe sein Team aufgebaut. Er mietete dazu ein Büro in Overath, wo er Wohnen mit Arbeiten kombinierte. Nach der Erkenntnis, dass es für alle Beteiligten – Mitarbeiter wie Kunden – ein Gewinn sein kann, wenn die Arbeit unabhängig von Ort und Zeit erledigt wird, änderte er sein Konzept, zog privat nach Bensberg und schaffte die Büroräume ab. Wir haben mit Florian Ibe über sein Konzept gesprochen:

Herr Ibe: Home Office und flexible Arbeitszeiten sind nichts Neues. Aber so ganz ohne Büro, ohne Zusammentreffen der Mitarbeiter … geht das? Was sagen die Kunden dazu?

Ja, das geht sehr gut! Denn pictibe arbeitet stark leistungsbezogen, für Kunden und Mitarbeiter. Wir machen alles messbar, das sorgt für Transparenz – natürlich auch für mich als Inhaber. Diese Transparenz wiederum schafft Vertrauen auf beiden Seiten. Und darum funktioniert das Konzept! Außerdem haben die Mitarbeiter es gut bei uns: Im Schnitt arbeiten zwischen elf bis 17 Feste und Freie für die Agentur. Sie bekommen bei uns einen Vertrag mit monatlichem Kontingent. Wir geben gute Boni oder sie bekommen auch mal einen Urlaub oder sonstige „Annehmlichkeiten” bezahlt. Die Motivation der Mitarbeiter ist sehr hoch, die Verantwortlichkeit für das eigene Tun wird gefordert und gestärkt. Jeder kann sich so ein bisschen wie sein eigener Chef fühlen. Aber, und das ist auch klar, diese Form des Arbeitens ist nicht jedermanns Sache, das musste auch ich einsehen. Und nicht jeder Kunde kommt damit zurecht. Ich muss das Konzept schon manchmal erklären und mich teils auch rechtfertigen, da es oftmals dem Denken vieler klassischer Geschäftsleute wiederspricht.

Mehr zu Florian Ibe und der Agentur pictibe

Nach seiner Ausbildung zum gestaltungstechnischen Assistenten gründete Florian Ibe 2010 mit 18 Jahren die Werbeagentur pictibe. Zunächst bearbeitete er vor neun Jahren seine Kunden-Aufträge von Zuhause aus, parallel war er für externe Agenturen tätig, auch um Erfahrungen zu sammeln und den Horizont zu erweitern in einer so vielfältigen Branche. Ibe begann klassisch mit Corporate Design, Logogestaltung und Drucksachen. Schnell war ihm klar: Internetseite, Onlineshops und das Thema Online-Marketing sind die Zukunft. „Und das war der Startschuss!“, so der 27-jährige. Zwar hat pictibe klassische Leistungen wie die Erstellung von Flyern, Broschüren, Werbetechnik usw. noch im Portfolio, aber Ibe ist der Meinung, „ … dass nur passgenaue, zielgerichtete und messbare Werbung, wie es ausschließlich beim Online-Marketing möglich ist, heutzutage sinnvoll ist.“ Beim Online-Advertising in den bekannten sozialen Medien sowie bei den Suchmaschinen Google und Bing erhalten Verbraucher, die sich online für z.B. Küchen interessieren, Werbung über Küchen – und nicht etwa über Fernseher oder Kinderwagen. Mit SEA- (Suchmaschinenwerbung) und SEO-Optimierung (Suchmaschinenoptimierung) ist das heute der Fokus der Marketingagentur.

Wie sieht ganz konkret die praktische Umsetzung aus?

Die Zusammenarbeit erfolgt über die virtuelle Arbeitsplattform Trello. Von der digitalen Kunden-Auftrags und -Projektverwaltung mit einfacher übersichtlicher Bedienung aus, kann man über die Cloud von überall her zugreifen. Hier werden die Aufträge mit Briefings, Informationen und Dateien angelegt und an die Mitarbeiter verteilt. Über Kommentarfunktionen wird kurz und bündig kommuniziert. Trello übernimmt das Zeitmanagement, erinnert und liefert Tagesberichte. Zwar arbeiten wir mit dem Kunden auch per E-Mail, aber intern organisieren wir fast alles über das Tool. So erhalten wir das bestmögliche Ergebnis in kürzester Zeit ohne das Durcheinander in E-Mails, Ordnern und auf verschiedenen Servern zu haben.

Welche Vorteile hat das?

Die Mitarbeiter – weltweit verteilt, nur drei kommen aus der Region – können zu jeder Tageszeit arbeiten. Die Aufgabenverteilung übernehme ich als Hauptberater, ich bin in 90 Prozent aller Aufträge involviert. Weitere Kommunikationskanäle mit den Mitarbeitern sind: E-Mails und Whats-App und auch manchmal die oft unbeliebten Sprachnachrichten. Wichtig ist, dass wir nicht telefonieren, weder untereinander, noch mit dem Kunden. Wenn jemand zwischendurch anruft, ist er mindestens 15 Minuten, charakterabhängig bis zu 30 Minuten, aus dem Thema – das ist wissenschaftlich nachweisbar und hochgradig uneffizient. Wenn man das von einem Mitarbeiter auf Monat und Jahr hochrechnet – katastrophal! Durch Ablenkungen verliert man jede Menge Qualität und das spiegelt sich teilweise auch dann im Kundenprojekt wider. Will man das? Sicher nicht! Daher buchen bei uns Interessenten als auch Bestandskunden in der Regel Telefontermine wo wir uns dann zu 100% aufeinander und das Projekt konzentrieren.

Aber Sie müssen doch auch mal miteinander sprechen?

Ja, natürlich. Gibt es einen festen Termin, dann nutzen wir Skype oder Zoom, weil man so flexibel den Bildschirm teilen kann, beispielsweise für Gestaltungs-Details oder detaillierte Besprechungen von Anzeigenkampagnen. Das ist dann fast so, als säßen wir nebeneinander.

Sie haben auch da ganz strikte, eher ungewöhnliche Vorstellungen vom Umgang mit Kunden, nicht wahr?

Ja, da ist bei uns einiges anders (schmunzelt): Termine zum reinen Kennenlernen und „mal einen Kaffee trinken” gibt es bei pictibe nicht. Natürlich kann man sich zu einem persönlichen Gespräch treffen, wenn es bezahlt wird! Aber es geht um Vertrauen – entweder man hat es, oder eben nicht. Ich erspare mir beispielsweise Fahrtwege und nicht unbedingt notwendige Telefonate – die sind aus meiner Sicht nicht effizient. Nicht alle Kunden mögen das. Aber wenn ich ihnen unsere Vorgehensweise erkläre, wird meistens klar, wie viel Zeit vergeudet wird. Und Zeit ist Geld – für beide Seiten, Kunde und Agentur. Später sagen Kunden dann: „Ich war skeptisch, aber Sie hatten Recht. Die Kommunikation läuft super und ich bin immer informiert, ohne dass ich Sie jedes Mal fragen muss. Klasse aber, ich kannte es einfach nicht!“

Sie betrachten Ihre Zeit und die Ihrer Mitarbeiter also rein monetär?

Das stimmt! Und die Zeit meiner Kunden auch. Bei uns sind alle Termine grundsätzlich kostenpflichtig. Wenn wir beim Telefonat im Online-Marketing über ein Produkt sprechen, ist es bereits wie eine Angebotserstellung, dahinter stehen immer eine Strategie und ein Konzept sowie jahrelange Erfahrung. Und wem unsere Zeit nichts wert ist, der passt nicht zu uns! Da bin ich rigoros.

Das klingt sehr krass …

Ja, aber es kommt Kunden und Mitarbeitern zugute. Unser Verkaufsargument ist klar: Alles ist messbar! Da sind wir wieder bei der Transparenz. Wie viele Kunden neu generiert und wie viel Umsatz über den Online-Shop des Kunden beispielsweise durch die Agentur gemacht wurden, ist absolut messbar. So ist die Arbeit stets transparent und teilweise auch per vereinbarter Bonuszahlung und Umsatzbeteiligung an den Erfolg des Marketings geknüpft. Es gibt in der Regel ein kostenfreies, 15-minütiges Telefonat. Anschließend erhält der Kunde eine preisliche Hausnummer oder ein Angebot, in dem die Honorare klar definiert sind. Jede zusätzliche Beratung, Telefonate (nur nach vorheriger Terminabsprache) kosten extra. Das gilt für jede Auftragsgröße.

Wie finden Sie die Kunden, die zu Ihnen passen und umgekehrt?

Unser Haupt-Akquisekanal für Neukunden ist die eigene Optimierung der Internetseite und ein wenig Remarketing, also das gezielte Nachverfolgen von Personen die bereits auf unserer Internetseite waren. Zusätzlich bin ich auf Youtube und vielen namhaften Podcasts präsent. Wir haben außerdem einen White-Label Service wo wir für andere Werbe- und Marketingagenturen Projekte für deren Kunden umsetzen.

Whitelabel-Service

Neben den Aufträgen aus den Unternehmen ist der Whitelabel-Service eine weitere Einnahmequelle für pictibe. Hier werden etwa 70 Agenturen aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande und Dänemark Kompetenzen und Leistungen von pictibe zur Verfügung gestellt. „Der Endkunde bekommt davon nichts mit. Das kann lebensrettend für manche sein, die aus dem klassischen Printbereich kommen und zusätzlich digitale Dienstleistungen verkaufen möchten“, so Florian Ibe.

Pictibe-Kunden kommen aus Nord- und Süddeutschland, Österreich, Schweiz, Dänemark und den Niederlanden, nicht so sehr aus der Region. Und der Hauptunterschied zur herkömmlichen Agenturarbeit ist Vertrauen, sowohl vom Kunden aus, als auch zum Mitarbeiter. Und wenn wir mit dem Kunden gemeinsam nach getaner Arbeit skypen, gehen Lob und Tadel direkt an den Mitarbeiter. Das schafft zusätzlich Eigenverantwortlichkeit ohne den oft eher schlechten Filter der Führungspersonen, Chefs und Teamleiter – Thema: Stille-Post.

Vielen Dank für diese etwas andere Sicht der Dinge!

Das Gespräch führte Birgit Franke

Fotomontage: Florian Ibe,  pictibe Werbe- & Marketingagentur

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