Erfahrungsaustausch beim RBW-PresseTreff
„Wir hatten drei Krisen: Corona, die Flut und die Explosion in Leverkusen, deren Wolke mit unbestimmtem Inhalt auch über den Norden von Rhein-Berg zog“, fasst Volker Suermann, Geschäftsführer der Rheinisch-Bergischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (RBW), die Ausnahmesituationen der letzten Monate zusammen. „Kann man sich grundsätzlich auf solche Krisen vorbereiten? Welchen Beitrag leistet die Unternehmenskommunikation zur Bewältigung von Krisen?“, fragt er. Das Thema Krisenkommunikation stand im Fokus des PresseTreffs der RBW. Gastgeber für die Presse- und Marketingverantwortlichen sowie Medienvertreter aus Rhein-Berg war das Unternehmen Netempire AG am Tech Campus Haus Staade in Rösrath.
Insgesamt 26 Gäste fanden sich bei spätsommerlichem Sonnenwetter zu dem PresseTreff ein. Anwesenheitsliste und 3G-Nachweis waren obligatorisch und da das Treffen auf der Terrasse stattfand, konnte auf Masken verzichtet werden. „Wir freuen uns sehr, dass wir wieder zusammenkommen können“, begrüßte Silke Ratte, Prokuristin der RBW, die Anwesenden. Die letzte Veranstaltung dieser Art war für März 2020 geplant und musste, wie so vieles, corona-bedingt abgesagt werden. Umso mehr freuten sich die Anwesenden, sich endlich wieder einmal persönlich treffen und austauschen zu können.
Pam Kilian macht das Marketing im Haus Staade
„Ich muss mich erst einmal dran gewöhnen, dass auf einmal so viele Leute hier sind“, gestand Pam Killian, Marketingverantwortliche bei Netempire. Vor der Coronakrise herrschte immer ein reges Treiben auf dem Netempire-Gelände und dem zugehörigen Tech Campus Haus Staade. „Wir hatten hier eine richtige Community, doch in den letzten Monaten waren der Campus und das Haus leer, wegen Corona.“ Einige der ansässigen Firmen konnten in der Krise nicht bleiben. „Für Softwareentwickler haben sich dagegen ganz neue Geschäftsfelder aufgetan“, erzählt Killian. Inzwischen sei die Nachfrage nach Büroräumen sehr groß. „Die Leute wollen jetzt mehr im Grünen arbeiten“, so ihre Erfahrung.
Hilfen für Unternehmen
Silke Ratte gab eine Übersicht über die Aktivitäten
der RBW während der Krisen
Für die RBW gab Silke Ratte einen kurzen Abriss über die Aktivitäten und Erfahrungen während der Coronakrise. „Ich denke nicht, dass man sich auf so eine Dauerkrise vorbereiten kann. Bei Corona konnten wir meistens nur reagieren“, erklärte Ratte, bei der RBW selber zuständig für die Unternehmenskommunikation und das Standortmarketing.“ Die RBW hatte zum Ziel, die Informationen immer auf den neusten Stand zu halten. „Darum bin ich froh, dass wir 2019 unsere Kommunikation digitaler aufgestellt haben.“ Facebook und LinkedIn seien die Kanäle gewesen, die verstärkt wahrgenommen wurden. Doch schnell seien die Infoseiten auf der eigenen Homepage unübersichtlich geworden, stetig gab es neue Erlasse und Bedingungen. „Es war unglaublich“, so Ratte. Die RBW erstellte einen Quick-Check zur besseren Übersicht. „Schon wir hatten mit dem Sortieren Probleme, wie ergeht es da Unternehmen, die sich nicht ständig mit Fördermitteln und staatlichen Vorgaben befassen?“, erinnert sie sich. Dabei hatte die Frage, welche dieser Maßnahmen eigentlich für Soloselbstständige gelten und wie sie sie am besten anwenden können, eine große Bedeutung. „Das ist eine wichtige Zielgruppe für uns geworden, die uns als Gesprächspartner schätzen gelernt hat.“
Neue Plattform für den Austausch
Die Aktualisierung der behördlichen Anordnungen erwies sich als Sisyphusarbeit, da in den Verlautbarungen teilweise nur auf andere Veröffentlichungen verwiesen wurde. „Wir haben Neues eingebunden, die Infos gebündelt und sind neue Wege in der Krisenberatung gegangen“, fasst Ratte zusammen. Damit der Austausch und die Vernetzung der Unternehmen in der Pandemie nicht zu kurz kamen, gründete die RBW die digitale Plattform Rhein-Berg CONNECT, zusätzlich informierten Flyer über Unterstützung- und Hilfsangebote. „Und dann kam das Hochwasser“, erzählt Ratte und ergänzt lakonisch: „Da ging’s schon wieder los, aber wir hatten ja schon Übung.“ Beim Hochwasser halfen Firmen anderen Firmen, da konnte angepackt werden. „Aber was kommt jetzt, wie gestaltet sich der Wiederaufbau“, fragt Ratte. „Wieder werden wir über Hilfsprogramme und deren Umsetzung informieren und uns als Gesprächspartner anbieten“.
Anforderungen an eine Stadtverwaltung
Marion Linnenbrink, Pressesprecherin der Stadt
Bergisch Gladbach
Für Marion Linnenbrink, Pressesprecherin der Stadt Bergisch Gladbach, ist die Kommunikation für so eine überregionale Krise verbesserungswürdig. „Letztlich haben alle Kommunen und Städte immer sehr ähnliche Pressemitteilungen formuliert. Das lag vor allem daran, dass auf die Krise zu Beginn mit kommunal unterschiedlichen Maßnahmen reagiert worden ist. Erst die Coronaschutzverordnung hat dann für Einheitlichkeit gesorgt, aber die Umsetzung musste dann auch wieder lokal erarbeitet werden. Dies zu erklären und zu kommunizieren war anstrengend und nicht zufriedenstellend.“ Für eine vergleichbare Krisenlage wünscht sie sich zentrale Pressearbeit, bspw. über ein Ministerium. „Das jeder das Gleiche mit einer eigenen Pressemitteilung formuliert ist eine große Verschwendung von Arbeitskraft“, findet Linnenbrink. Ein Problem sei auch gewesen, dass die Stadt Bergisch Gladbach mit vielen Maßnahmen, wie der Kontaktnachverfolgung und Quarantäneverordnungen, nichts zu tun habe, da die Gesundheitsbehörde zum Kreis gehöre. „Das versteht die Bürgerschaft nicht. Es herrscht, vielleicht auch zurecht, die Anspruchshaltung, was die Verwaltung der eigenen Kommune leisten muss“, so ihre Erfahrung.
An geregelte Arbeitszeiten war in der Krise nicht zu denken. „Gerade freitags nicht“, erzählt Linnenbrink, weil da abends oft noch die Anordnungen kamen, die veröffentlicht werden mussten. Mit der Arbeit im Homeoffice habe die Stadtverwaltung keine Probleme gehabt., 60 Prozent der Mitarbeiter arbeiteten zu Hause. „Alle die wollten“, so die Pressesprecherin. Doch es gab auch Probleme. So konnten die Mitarbeiter im Homeoffice zu Anfang nur mit privatem Anschluss oder mit Handy telefonieren, wo die private Nummer sichtbar war.
Die Stadt Bergisch Gladbach ist auf so manche Krise vorbereitet, hat für viele Notfälle einen Plan in der Schublade. Immer wieder gab es Übungsszenarien, wie die Verwaltung im Ernstfall reagiert und wie die Zusammenarbeit mit Feuerwehr und Belkaw, dem regionalen Energieversorger, funktioniert. „Nach der Explosion in Leverkusen haben wir im Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) kommuniziert und hätten ihn bei einer Giftwolke auch kurzfristig aktivieren können“, erzählt Linnenbrink.
Corona-Alternative: Fotoshootings im Mediterana
Nun bei der smartworx Brewig + Rocholl GbR, Nina Willmes
Viele Unternehmen wurden von der Coronakrise schwer getroffen, mussten per Anordnung dicht machen. So auch das Mediterana, hier war am 16. März 2020 erst mal Schicht. „Die Kosten liefen weiter“, erzählt Nina Willmes. Über fünf Jahre war sie im Marketing des Mediteranas tätig. Seit April 2021 arbeitet sie beim IT-Berater smartworx in Overath. An die Krisenzeit im Mediterana erinnert sie sich noch gut. „Das Wichtigste war zunächst einmal die Kommunikation mit den Mitarbeitern.“ In der ersten Zeit wurde aus der Not eine Tugend gemacht. „Wir haben alle zusammen geputzt, sogar mit Zahnbürsten die Fugen sauber gemacht.“ Um wenigstens ein wenig die Kosten zu decken, wurden die Räumlichkeiten für Filmaufnahmen, Musikvideos und Shootings vermietet. „Wir bekamen zu hören, dass bei uns so schöne Fotos geschossen worden sind, wie in keinem anderen Land der Welt.“ Es sei eine harte Zeit gewesen, wo sie vor allem die Einzelschicksale berührt hätten. Beim Kurzarbeitergeld würden Wochenendzuschläge und Trinkgelder nicht berücksichtigt. So bekamen Angestellte deutlich weniger Geld zur Verfügung. „Ich hatte einen 25-Jährigen vor mir stehen, der mir sagte, er wisse nicht, wie er die Miete zahlen solle“, sagt Willmes.
Wie aus der Distanz führen?
Autorin Elke Landschoof, Doris Richter von der Rheinischen
Redaktionsgemeinschaft und Markus Fischer, VR Bank eG
Bergsich Gladbach-Leverkusen
Von ganz anderen Schwierigkeiten berichtet Markus Fischer von der VR Bank eG Bergisch Gladbach-Leverkusen. „Wir haben während der Pandemie Menschen eingestellt, die haben unsere Bank Monate lang nicht von innen gesehen.“ Man habe mit Videokonferenzen und Telefonaten eine rege Kommunikation gepflegt, „doch das ersetzt keinen persönlichen Kontakt.“ Zudem stelle sich die Frage der Unternehmenskultur. „Wie wird die vermittelt und wie führt man als Vorgesetzter aus Distanz?“ Nach über einem Jahr Virus schien die Rückkehr zu einem mehr oder weniger normalen Alltag möglich, Impfstoffen und Verhaltensregeln sei Dank. Doch dann kam der Starkregen und damit die unkontrollierbaren Wassermassen.
Neue Herausforderungen durch Flutkatastrophe
Auch die Volksbank Berg war vom Hochwasser betroffen,
wie Tanja Paas berichtet
„Ich bin los, um zu sehen, ob das Wasser in unsere Filiale Odenthal eingedrungen ist“, erinnert sich Tanja Paas von der Volksbank Berg. Sie fuhr über eigentlich unpassierbare Straßen und taste sich schließlich im Dunkeln - der Strom war ausgefallen - über die Kellertreppe in den Raum mit den Schließfächern. „Gott sei Dank war alles trocken. Allerdings stand leider die Geschäftsstelle Kürten mit dem Tresorraum und den Schließfächern komplett unter Wasser.“ So sah es auch stellenweise bei den Kollegen in Bergisch Gladbach und Leverkusen aus. „Wir mussten Kunden informieren, dass die Schließfächer überflutet worden waren“, erzählt Markus Fischer. Auch dazu hat die Bank auf den persönlichen Kontakt mit den Kunden gesetzt. Alle Betroffenen wurden persönlich angeschrieben und zudem telefonisch kontaktiert, um einen Termin für die Öffnung der Schließfächer zu vereinbaren. Das Krisenmanagement war die eine Sache. „Doch wie kann man sich auf die menschlichen Krisen vorbereiten“, fragt er sich im Nachhinein. Es seien Kunden betroffen gewesen, die Gegenstände und Erbstücke von ideellem Wert in ihren Schließfächern hatten. „Die sind jetzt alle kaputt.“
Eine der Folgen des Hochwassers war der Stromausfall. Dadurch konnten die in Krisenfällen vorgesehene Kommunikationswege nicht eingehalten werden. „Es gab ja auch kein Internet, man hätte Briefe mit der Schreibmaschine schreiben müssen“, so Paas. In solchen Situationen ist vor allem Flexibilität gefragt. Fischer erzählt von kommunalen Mitarbeitern in anderen betroffenen Gebieten, die ohne Internet und Mobilfunk bei unpassierbaren Straßen mit dem Fahrrad zu den Menschen raus gefahren sind.
In dieser Krise seien viele Leute über sich hinausgewachsen, so die Erfahrung von Silke Ratte. Und auch Volker Suermann kann das bestätigen: „In Overath musste eine Firma nach der Flut eine Woche lang sauber machen“, erzählt er. Danach hätte der Chef gewusst, was er an seinen Mitarbeitenden habe. „Da hat die Vorzimmerdame mit angepackt und Dreck geschippt.“
Lockdown für Social Media genutzt
Peter Sommer, Inhaber der GGS Gebäude-Service
Sommer GmbH macht gute Erfahrungen mit Social Media
Für Peter Sommer, Inhaber der GGS Gebäude-Service Sommer GmbH, war der Lockdown und die Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice ein Desaster. „Wenn keiner mehr in den Büros arbeitet, gibt’s nicht zu putzen“, stellt er nüchtern fest. Selbst die Reinigung von Fensterflächen unter Einhaltung der Corona-Regeln sei nicht möglich gewesen. „Es war keine einfache Zeit, doch wir haben sie gut gemeistert“, fasst er die Erfahrungen der letzten Monate zusammen. Er habe die Zeit genutzt, um sich in Social Media einzuarbeiten. „Das ist Neuland für uns“, so Sommer. Dort werde man wahrgenommen, hat er festgestellt. „Und wir machen Fortschritte.“ (Wir berichteten bereits im RBW-Blog.)
Keine Krisenpläne für Corona
Musste schnell reagieren: Daniel Beer vom Evangelischen
Krankenhaus Bergisch Gladbach
Das Evangelische Krankenhaus in Bergisch Gladbach (EVK) hatte zwar ausgearbeitete Krisenpläne in der Schublade, doch die griffen nicht. „Die waren eher für Probleme wie z.B. Brände ausgearbeitet worden“, erklärt Daniel Beer, Pressesprecher des EVK. Beer war gerade ein halbes Jahr im Haus, als das Virus ausbrach. „Es war gerade zu Beginn der Pandemie eine Herausforderung, wichtige Informationen schnell intern an über 1.000 Mitarbeitende zu kommunizieren, bevor sie in der Zeitung stehen“, erinnert sich der Pressesprecher. Zwar besitzt das Krankenhaus ein Intranet, doch nicht alle Mitarbeiter verfügen über einen Bildschirmarbeitsplatz. So streute Beer die Information auch über andere Wege, druckte Vieles aus und verteilte es an die Abteilungen. „Es war eine Herausforderung am Anfang“, erinnert er sich. „Was Kommunikation bedeutet, konnte ich in der Praxis durchexerzieren.“
Erfahrungsaustausch unter Praktikern ...
Suermann nahm zum Abschluss noch einmal die vielen kleineren Unternehmen und Handwerker in den Blickwinkel. Vor allem sie hatten und haben unter den Folgen der Pandemie zu leiden. So mussten so manche Betriebe auf ihre Mitarbeitenden verzichten, weil sie unter Quarantäne standen oder keine Möglichkeit gefunden hatten, die Kinder zu betreuen. Gerade am Anfang der Pandemie war die Unsicherheit groß, es gab Kunden, die keinen Handwerker ins Haus lassen wollten aus Angst vor dem Virus. „Es ist die Frage, wie diese Unternehmen mit der Krisenthematik umgehen“, fragte sich Suermann. Größere Unternehmen hätten ihre Krisenpläne und seien gut aufgestellt in ihren Kommunikationsabteilungen, doch für soetwas hätten die Inhaber kleiner Unternehmen weder Zeit noch Kapazitäten.
... und Zeit für Kennenlernen und bilaterale Gespräche
Lockdown, Homeoffice, Masken und 3G-Nachweis - die Pandemie hat die Gesellschaft nachhaltig verändert. Die Flutkatastrophe hat gezeigt, wie hilfsbereit die Menschen sind und sich besonders mittelständische Unternehmen gegenseitig unterstützen. Doch Grundvoraussetzung ist eine gute Kommunikation, gerade in Krisenzeiten.
Unterstützung zur akuten Krisenbewältigung und strategische Krisenprävention für den Rheinisch-Bergischen Kreis bietet die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (RBW) unter #gemeinsamanpacken. Unter dem Slogan „Unternehmen zukunftssicher aufstellen – Wandel gestalten“ werden Fragen zu den strategischen Themen Finanzen, Fördermittel, Kommunikation, Fachkräfte, Neues Denken und Digitalisierung beantwortet.
Mit #rheinbergauf soll die Bevölkerung des Rheinisch-Bergischen Kreises aufgefordert werden, vor Ort einzukaufen und lokale Betriebe und Einrichtungen als Kunden und Gäste zu unterstützen, damit es in den nächsten Monaten wieder gemeinsam bergauf geht. Die Initiative der kommunalen Wirtschaftsförderungen und der Rheinisch-Bergischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (RBW) wird unterstützt durch die Interessen- und Werbegemeinschaften im Rheinisch-Bergischen Kreis, den Handelsverband NRW - Rheinland e.V., die Industrie- und Handelskammer zu Köln und „Das Bergische“.
Der Quick-Check wendet sich vorrangig an Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen. Der ständig aktualisierte Quick-Check kann einen ersten Anhaltspunkt dazu liefern, welche Hilfen relevant sind und wie die Konditionen aussehen.
Rhein-Berg CONNECT wurde ins Leben gerufen, um den rheinisch-bergischen Unternehmen den Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch und das Netzwerken zu erleichtern. So entstand eine regionale Business-Plattform für alle Beteiligten am Wirtschaftsleben.
Die Infoseite zu den Hochwasser-Hilfen gibt aktuelle Auskünfte. Auch hier bietet die RBW den Betroffenen ihre Unterstützung an, um sich zu orientieren.
Autorin: Elke Landschoof
Fotos: Klaus Lawrenz
Vielen Dank für die Gastfreundschaft an den Tech Campus Haus Staade der Netempire AG und das leckere Catering von Tante Lille!