Papier, Internet oder Auge in Auge? Und wenn Social Media, dann wo und wie genau? Fragen, die sich viele Unternehmen im Kreis stellen. Im RBW-Wirtschaftsforum gab es Antworten darauf.
Die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (RBW) hatte gemeinsam mit der Unternehmerinitiative Rhein-Berg e.V. (UIRB) in das Kardinal Schulte Haus in Bergisch Gladbach eingeladen. Mit rund 200 Teilnehmern war das Wirtschaftsforum komplett ausgebucht.
Die Praktiker und Experten mit den Veranstaltern:
v.l.n.r: Thomas Bahne, Oliver Mathée, Silke Ratte,
Ursula Wintgens, Max Rheinländer, Volker Suermann,
Klaus Lawrenz, Patrick Knoblauch, Tim Tiede
RBW-Geschäftsführer Volker Suermann berichtete vorab, dass auch die RBW ihre Kommunikation verändert habe. „Wir wollen unsere Online-Aktivitäten deutlich verstärken“, sagte Suermann. "Der neue Newsroom bietet dafür nun eine Plattform mit gebündelten Informationen. Wir glauben, dass unsere neuen Wege der Kommunikation und der Medienmix viele Chancen bieten. Wir erhoffen uns einen noch intensiveren Dialog und Nachrichtenaustausch zum Wohle des Wirtschaftsstandortes Rheinisch-Bergischer Kreis".
Max Rheinländer, 1. Vorsitzender der UIRB findet das Thema auch wichtig: „Natürlich sind wir gerne als Partner der RBW bei diesem Wirtschaftsforum zum Thema Unternehmenskommunikation dabei. Denn die richtigen Kommunikationskanäle für ein Unternehmen zu finden, ist heute wichtiger denn je".
Bevor Moderatorin Silke Ratte von der RBW eine Unternehmer- und eine Expertenrunde auf die Bühne bat, nahm sie die Antworten auf die Fragen schon mal mutig vorweg: „Es kommt darauf an. Das, was Sie machen, sollten Sie richtig machen und es sollte zu Ihnen passen.“ Damit lag sie völlig richtig, ohne dass es ab hier langweilig geworden wäre. Nun ging es darum: Worauf kommt es denn nun genau an?
- Ursula Wintgens leitet seit 20 Jahren den REWE-Markt Wintgens in Bergisch Gladbach-Bensberg und hält REWE-intern Seminare zu Führung und Motivation
- Thomas Bahne ist Pressesprecher der Isotec GmbH in Kürten und Dozent für Unternehmenskommunikation an der Hochschule Fresenius
- Oliver Mathée ist Geschäftsführer der Mediterana GmbH & Co. KG in Bergisch Gladbach
Auf Authentizität, wird Klaus Lawrenz, Inhaber der Werbeagentur Die Qualitäter, später in der Expertenrunde sagen. „Es ist wichtig, dass Sie auftreten, wie Sie sind.“ Was Authentizität ist, daran ließ Startrednerin Ursula Wintgens keinerlei Zweifel. Die Leiterin des REWE-Markt Wintgens wartete mit einem Feuerwerk an Beispielen auf. „Ich habe eine Facebook-Gruppe mit mehr als 2.000 Mitgliedern“, sagte sie. „Ich kenne jeden davon persönlich und wir sind so etwas wie eine große Familie.“ Mit Posts und Live-Übertragungen, die immer ihr Gegenstück offline im Markt finden, ist sie schon mehrfach in Presse und Netz über Deutschland hinaus bekannt geworden: mit Milch statt Energydrinks, mit „Kühlhaussitzen für zwei Euro“ oder mit einer roten Plastikente, die ihre Kunden rund um die Welt tragen, mit zahllosen Spendenaktionen. „Bei uns ist man im Laden und online mittendrin“, so Ursula Wintgens.
Anschauungsbeispiel aus einer Isotec-Schulung: Die
Horizontalsperre perfekt erklärt in 50 Sekunden
„Über Social Media kann und muss Lebensgefühl vermittelt werden“, kommentierte Thomas Bahne die Leidenschaft seiner Vorrednerin. Der Pressesprecher der ISOTEC GmbH empfahl den Relevanz-Check. „Content is king, relevance is queen“, sagte er. „Fragen Sie sich immer: Wie relevant ist das eigentlich, was ich da poste?“ Neben besagtem Lebensgefühl seien insbesondere Tipps und Ratschläge für die Zielgruppe bedeutsam. Der „Relevanz-Turbo“ ließe sich mit Bewegtbildern, zum Beispiel kurzen Erklär-Videos, einschalten. „Filme gehen direkt ins Blut“, so Bahne.
Oliver Mathée, Geschäftsführer des Mediterana, hat mit 72.000 Followern eine beeindruckende Facebook-Gemeinde. Welche Inhalte tatsächlich ankommen, sei manchmal nicht voraus zu sehen. Einmal war es ein spontaner Schnappschuss vom Sonnenaufgang, neulich die Info, nur noch Glasstrohhalme zu benutzen. „Wir können online regelmäßig mit unseren Kunden in Kontakt treten. Das ist eine Chance. Das ist sensationell“, sagte Mathée. „Aber: Den persönlichen Kontakt werden wir niemals digital ersetzen können.“ Und das beschrieb er an zahlreichen Beispielen auch anhand der internen Kommunikation, in der eine App das tägliche Meeting der Verantwortlichen nicht kompensiert.
Auch wenn alle Redner des Abends einen Schwerpunkt auf den Einsatz von Onlinemedien legten, so machten die Vertreter der Unternehmen und auch die Experten deutlich, dass Print und Pressearbeit durch Homepage und Social Media nicht ersetzt werden sollen, sondern dass sie sich im Mix sinnvoll ergänzen und gegenseitig verstärken.
In der Expertenrunde gab es nochmal viel Know-how zum Umgang mit Online. „Es gibt viele Sachen, die man beachten kann, aber es gibt keinen goldenen Weg“, sagte Klaus Lawrenz. Das Wichtigste sei: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ Was dem „Wurm“ schmeckt, ließe sich online gut über Klicks und Trackingzahlen herausfinden, sagte Patrick Knoblauch von OEVERMANN Networks über Vorteile der digitalen Kommunikation. „So können Sie Ihr Angebot immer wieder verbessern.“
Über die verschiedenen Social Media-Kanäle hätten die Experten wohl noch Stunden reden können. Dass bei Facebook Bezahlangebote durchaus sinnvoll sein können, dass XING ein guter Ort für Business-Kontakte ist, dass es bei LinkedIn geschehen kann, dass Mitarbeiter abgeworben werden, dass sich zudem alles sehr schnell verändert. „Wenn Sie denken, Sie erreichen mit Facebook junge Leute....nein“, sagte Lawrenz. „Die sind bei Instagram, in WhatsApp-Gruppen oder bei Jodel.“
Bedenkenträger hinsichtlich Social Media gab es auf dem Podium nicht. Der Tenor der Experten war: Es muss professionell gemacht sein, aber es ist kein Hexenwerk. Tim Tiede, lessingtiede GmbH, sah es so: „Im Grunde ist das ein Handwerk und dafür braucht man Handwerkszeug. Davon gibt es genügend. Ich würde mich auch bei der Auswahl der Kanäle nicht stressen. Hauptsache Sie machen überhaupt was.“ Mit Blick auf die sogenannten „hidden champions“ im Bergischen sagte er: „Wer sich versteckt, wird nur schwer Mitarbeiter finden. Da muss ein Umdenkprozess stattfinden – weg vom Bergischen Hügel, raus in die Welt.“
Die Teilnehmer nahmen viele Infos
mit : Hier eine kleine Bildergalerie
Eine andere Haltung für das „raus in die Welt“ oder besser ein „rein in die Zukunft“ formulierte Mediterana-Chef Oliver Mathée eindringlich so: „Wir haben die Chance, diesen ganzen Wandel mit zu gestalten. Dazu müssen wir ausprobieren, diskutieren, anpassen, wieder ausprobieren – und wir dürfen dabei Fehler machen!“
Du oder Sie?
„Im Netz wird geduzt“ ist kein Standard. Auch hier kommt es auf das Unternehmen, die Kunden und ihr Verhältnis untereinander an. In Ursula Wintgens Facebook-Gruppe geht es um Nähe und Beziehung und es sind viele junge Leute in der Gruppe. „Wir sind ganz klar beim Du“, sagt die Leiterin des REWE-Marktes. Bei ISOTEC ist die Altersstruktur 40+. „Wir sind beim Sie“, sagt Thomas Bahne. „Freudig fluffig wäre bei Kunden, die feuchte Wände haben, auch nicht angebracht.“ Auch das Mediterana ist in der persönlichen Ansprache beim Sie. „Allerdings nutzen wir die Rheinische Form des ‚Ihr’, wenn wir mehrere ansprechen“, so Oliver Mathée.
Presse oder UGC?
UGC heißt User Generated Content – also Inhalte, die wir selbst großflächig über das Internet verteilen können. Das Gegenstück dazu ist die klassische Pressearbeit, bei der der Journalist bestimmt, ob ein Inhalt verteilt wird oder nicht. Thomas Bahne, Dozent für Unternehmenskommunikation, erklärt: „Platzierungen in der Presse haben eine hohe Glaubwürdigkeit. Um Chancen zur Veröffentlichung zu haben, darf das eigene Unternehmen nicht in den Vordergrund gestellt werden. Eigene Inhalte im Netz haben ihre Stärke in den freien Möglichkeiten der Gestaltung.“
Shitstorm, na und?
Negative Bewertungen oder die immer noch gefürchteten Shitstorms verlieren an Schrecken, wenn man die eigene Haltung ändert. „Jede negative Bewertung ist eine Chance, etwas gut zu machen“, sagt Werbeprofi Klaus Lawrenz. Ebenso sieht es Oliver Mathée. Seine Devise für das Mediterana: „Man muss den Stier bei den Hörnern packen, auf alles reagieren und immer ehrlich sein. Shitstorm? Na und? Das halten wir aus.“ Auch Thomas Bahne plädiert mit einem Augenzwinkern für mehr Gelassenheit: „Da muss man mal ein bisschen Zen bemühen und sein Ego abschmelzen nach dem Motto: Ich öffne mich für dich...“
Und der Nutzen?
Wie ist die Kosten-Nutzen-Relation bei Social Media in den Unternehmen? ISOTEC-Pressesprecher Thomas Bahne punktet mit der Pressearbeit. Redaktionelle Beiträge, in denen das Unternehmen genannt ist, rechnet er um in einen Anzeigenäquivalenzwert. Der liegt in einstelliger Millionenhöhe. „Social Media ist hingegen sehr schwer messbar“, sagt er. Für Ursula Wintgens ist ihre REWE-Facebook-Gruppe reine Imagewerbung. „Es geht mir nicht ums Verkaufen“, sagt sie. „Wir wollen Kunden zu Fans machen.“ Dafür hat sie zu jeder Zeit selbst ein Auge auf ihre Gruppe. Für Oliver Mathée geht es ebenfalls nicht um einen errechenbaren Nutzenwert. „Das Feedback, das wir erhalten, ist unbezahlbar“, sagt er. „Es hilft uns, uns ständig zu verbessern.“
Zum Abschluss noch ein Bild zur Standortbestimmung: Der Blick vom Kardinal Schulte Haus im Rheinisch-Bergischen Kreis hinunter auf Köln.
Autorin: Karin Grunewald
Fotos: Anette Hammer, Freistil Fotografie e.K.